Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Burli

Herr Anton hat ein Häuschen
mit einem Gartenzwerg
und davor,
da steht ein Kernkraftwerk.

Da gab es eines Tages
eine kleine Havarie:
Die Tomaten
woarn so groß wie nie.
(Und a da Sellerie!)

Und seine Frau die Resi,
die nix versteht vom Cäsi-
um und vom Plutonium,
die haut's vor Glück mit samt dem Toni um.

Wie dem auch sei,
ois geht vorbei,
die Zeit heilt alle Wunden
und im Mai, da ward ein Sohn entbunden.

Als er das Licht der Welt erblickt
der Anton Junior,
kommt er allen
sehr verdächtig vor.
(Sehr verdächtig vor!)

Bedenklich find der Oberarzt,
daß er net schreit und a net pforzt.
Die Hebamm sogt: „Ans waaß i g'wieß:
Daß der Bua was ganz was b'sondres is!“

Burli, Burli, Burli.
Mein Gott, is unsa Burli siaß.
Der Burli hot links und rechts drei Uhrli,
am Kopf hot er a Schwammerl,
fünf Zechn auf die Fiaß,
Mein Gott, is unsa Burli siaß.
Mein Gott, is er net siaß.

Es geht die Zeit, der Burli nicht,
er sitzt nur still am Schammerl
mit seim Wasserkopf
und spuit si mit seim Schwammerl.

Am Abend nimmt die Frau Mama
ihr'n Remutantenwastl
und stellt ihn beim Bett
durt auf des Kastl.

Das Geld wird immer knapper,
doch es frohlockt der Papa,
weil er den halben Strom nur zahlt
seit der Bub als Nachttischlamperl strahlt!

Burli, Burli, Burli.
Mein Gott, is unsa Burli siaß.
Der Burli hot links und rechts drei Uhrli,
An jeda Hand zehn Finga,
und Hände hat er vier.
Keiner spielt so schnell Klavier.

Heute zählt der Burli
dreißig Lenze oder mehr,
eine Frau zu finden,
das ist schwer.

Doch des Nachbars Tochter,
die Amalia,
ja die gleicht dem Burli
fast auf's Haar.
(Das ziemlich schütter war!)

Auch sie hat einiges zuviel
als Andenken von Tschernobyl.
Und auf geht es zum Traualtar,
meiner Seel, ein schönes Paar!

Burli, Burli, Burli.
Mein Gott, is unsa Burli siaß.
Der Burli hot ganz rote Uhrli,
Und mehr noch als die Eltern
freut sich die Amalia,
weil ihr Burli, der hat:
Zwa, drei, ans, zwa drei vier...

Burli, Burli, Burli.
Mein Gott, is unsa Burli siaß.

Credits

Text: Thomas Spitzer
Musik: Thomas Spitzer, Nino Holm, Eik Breit, Klaus Eberhartinger, Günther Schönberger
Sänger: Klaus Eberhartinger
Produzent: Peter Müller

Bemerkungen

Exklusiv auf verUNsicherung.de veröffentlicht: Skizzen von Thomas Spitzer zu „Burli“.

Der Rundfunksender Bayern 3 spielte dieses Lied nicht. Es sei nach den Worten des BR-Pressesprechers eine „absolute Geschmacklosigkeit“ und gehe weit über die „Schmerzgrenze“ hinaus. Es sei dies selbstverständlich keine Zensur, beeilt man sich, festzustellen, sondern eine „redaktionelle Entscheidung, die von der Spitze des BR mitgetragen werde“. Das Lied verstoße gegen das Runkfunkgesetz, sei eine Verletzung sittlicher Gefühle und eine Verunglimpfung Behinderter. Andere Sender machten es dem Bayerischen Rundfunk nach, die EAV wurde aus Sendungen wie „Live aus dem Alabama“, „Tele As“ oder dem „ARD Wunschkonzert“ wieder ausgeladen. Selbst der Ö3 verzichtete. Aus diesem Grund wurde Burli im Vergleich mit den letzten Singles ein Flop. Auch eine Plakataktion, bei der darauf hingewiesen wurde, dass die Single „total unbekannt durch Funk und Fernsehen“ sei, nützte da nichts mehr. Die EAV reichte deshalb Klage beim Bayerischen Rundfunk am 31.5.1988 ein.

Ein Ausschnitt aus der elfseitigen Begründung: „Die Musikgruppe EAV ist bekannt für frech- bis bös-witzige Texte. Den Texten ist zu eigen, daß hinter dem vordergründigen Witz eine tiefergehende Aussage steht. Erwähnt sei der zur Zeit an jeder Ecke mitgesungene Hit “Küß die Hand, schöne Frau„, in dem die möglichen Begleitumstände eines Seitensprungs des verheirateten Ehemannes insbesondere für die verführte Geliebte aufgezeigt werden, oder das Lied “An der Copacabana„, das die von vielen exzessiv betriebene 'Body-Building-Körperkultur' aufs Korn nimmt. In diesem von schwarzem Humor und entlarvender Satire geprägtem Genre ist auch “Burli„ angesiedelt. Der Text wendet sich gegen die Nutzung von Atomkraft und versucht, in drastischer Weise auf die Gefahren auch der friedlichen Nutzung hinzuweisen. In satirischer Übertreibung werden die denkbaren genetischen Folgen nach der Havarie eines Kernkraftwerkes, zudem noch in mundartlicher Verfremdung, dargestellt. Die Übertreibung ist so offensichtlich, daß auch demjenigen, der zunächst lachen möchte, das Lachen im Halse steckenbleibt.“

In einem Brief an den Landesverband der Lebenshilfe Steiermark, welcher sich mit einem besorgtem Brief an den Ö3 wandte und offenbar damit die Boykottierung von „Burli“ in Österreich angestoßen hatte, lädt Tom die Mitglieder dieses Verbandes auf das nächste Konzert ein und wagt eine Vermutung über die wahren Gründe des Bayern-3-Boykotts: „Sie wissen sicher, daß die verantwortlichen Leute im Bayrischen Rundfunk (BR), die das Verbot veranlaßt haben, das Parteibuch der Partei in der Tasche haben, die sich für das weitestgehende Vorhaben mit unabsehbaren Konsequenzen der Atomindustrie in Mitteleuropa (WAA Wackersdorf) stark macht. Wir unterstellen Ihrem [gemeint ist der Landesverband der Lebenshilfe Steiermark, Anm. d. Red.] Protest keinesfalls einen ähnlichen Hintergrund [...]“

Rezension

Dieses Lied trifft die Sache so gut auf den Punkt, daß es bei Erscheinen von den deutschen Radiostationen boykottiert wurde, da diese meinten, es würden hiermit Witze über Behinderte gemacht. Kein Wort wurde jedoch über die massive Atomkraftkritik in „Burli“ verloren. Hier liegt jedoch für mich der wahre Grund des Aufstandes: Das Lied erschien kurz nach dem Tschernobyl-Disaster und man wollte die Öffentlichkeit wohl nicht verunsichern. Die Wahrheit ist scheinbar nicht gut für das Volk ... Der Text jedenfalls trifft den Zeitgeist exakt, die Musik ist zwar nicht opernreif (ein Standard Rhythmus von alten Casio-Keyboards), aber passend!

Provokativ wie wir es mögen: Note 1

Publikationen

Diese Produktion ist auf folgenden Publikationen erschienen:

Varianten

Folgende Varianten dieses Liedes existieren:

Dieses Lied kommt in folgenden Liedern als Liedteil oder als Zitat vor:

Live

Dieses Lied wurde live in folgenden Varianten gespielt (Liste nicht vollständig):

Coverversionen

TV-/Radio-Auftritte