Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Ist das meine EAV?

„Also hau ab mit deinen hirnlosen Ideen. Remixe, was soll das, wer weiß mehr über meinen Song als ich? [...] Den Song verhunzen? So, wie wir ihn auf die Platten nehmen, genau so wollen wir ihn haben. Wollten wir ihn schneller, langsamer oder sonstwas, dann hätten wir ihn anders eingespielt. Es gibt keine zwei Versionen. Da laß ich nicht so einen überbezahlten Computerfreddy, der die Dinger im Dutzend zusammenschraubt, einmal drübermixen, no fucking way.“

Ein frustrierter Altrocker flehend zu seinem Musikverleger.
Aus dem Monolog „Alles ändern“, zu finden im Buch „Blackbox“ von Benjamin von Stuckrad-Barre, erschienen im Kiepenheuer & Witsch-Verlag

Das Best-of-Album „Let's Hop to the Pop“ wird mit geteilter Meinung bei der Fangemeinde aufgenommen (siehe Umfrage). Wieder einmal stellt sich die Frage nach der Definition von „EAV-Musik“. Gibt es überhaupt eine solche Definition, oder ist das alles nur Blödsinn vom abgespaceten Alex? Ist das meine EAV?

Welche Veränderungen mußten wir Fans in den letzten Jahren über uns ergehen lassen? Dabei weckte das Revival 1998 mit dem Himmel & Hölle-Album Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ - die EAV war so gut wie in alten Tagen. Danach begann jedoch die Sturm und Drang-Zeit, die EAV versuchte sich mit den unterschiedlichsten Spartenprojekten: Alles fing damit an, daß die EAV plötzlich rosa-schleimig-rot auftrat und zu allem Überfluß auch noch Himbeer-Teddies hieß. Ist das meine EAV? Nein, sicher nicht. Aber dann klang die Auflösung wie eine Befreiung: Alles nur ein Gag. Gut gegangen. Aber das daraufhin erschienene Album Himbeer-Teddies konnte den Eindruck der Fans, daß es sich doch um ein verstecktes Schlageralbum handle, nicht ganz entkräften - man erinnere sich nur an die großen Erfolge am Ballermann mit 3 weiße Tauben und die TV-Werbespots.

Die Himbeer-Teddies waren ein „einmaliges Projekt“ und schockte die Fans - die EAV also wie in alten Zeiten als Aufreger? Ist das meine EAV? Früher waren Politiker entrüstet, heute die Fans! Ja, das ist die EAV, vor allem weil die Politik keineswegs verschont blieb: Klaus Eberhartinger trat 1999 mit einigen von der EAV als Die Gruftgranaten auf und machte sich rar: Das reine Kabarettprogramm mit viel aufgewärmten aus dem EAV-Repertoire wurde nur bei einigen wohldosierte Aufritten auf Kleinkunstbühnen aufgeführt. Man fühlte sich als Fan an die Zeit vor Spitalo Fatalo erinnert - pikanterweise damals noch ohne Eberhartinger. Wollte er damit nachträglich seine kabarettistische Kompetenz beweisen, gilt er doch bei Kritikern des Feuilltons als die personifizierte Ulknudel? Jedenfalls dürften mit diesem Kabarettprogramm die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt sein: Herr Schüssel war jedenfalls „not amused“, woraufhin der Ö3 (Österreichs öffentlich-rechtlicher Radiosender für Pop) verschreckt das regierungskritische Valerie Valera vom Gruftgranaten-Album aus dem Programm nahm. In Interviews, in denen Eberhartinger dazu Stellung nehmen sollte, brillierte Eberhartinger mit bissigen Bemerkungen, die schon allein deshalb so gut waren, weil sie nicht überzeichnet waren - leider war alles absolut wahr!

Geht also die EAV wieder back to the roots? Wahrscheinlich leider nicht. Die Gruftgranaten war ein kleines Nebenprojekt und hatte kommerziell gesehen mit der EAV nichts zu tun. Nach den Himbeer-Teddies kam also schon wieder ein Projekt. Und dann die Erleichterung. Die EAV bringt ein Best-of-Album heraus: Die besten Lieder mit neuen Texten und Arrangements, hieß es. Die Ernüchterung folgte jedoch sehr schnell, als sich die CD bei mir im CD-Player drehte. Ist das meine EAV? Nein, das Best-of-Album ist ein weiteres Projekt: Das Wir-machen-die-EAV-modern-Projekt. Der erste Schock schon bei Titel 2: Bässe und Technorhythmen dominieren, obwohl die Bongos zu Beginn gutes Vermuten lassen - sie gehen im Technoblödsinn unter. Und dann auch noch die Auswahl der Lieder! Es beginnt mit „3 weisse Tauben“.

Einigermaßen geschockt drücke ich die Skiptaste. Immerhin paßt bei Burli 2000 der synthetische Housebeat, der neue Text ist schon gar keine Satire mehr, sondern schon mehr eine Resignation: einfach gut! Ich bin also wieder guter Dinge, doch was ist das? Wer zum Teufel ist auf die Idee gekommen, aus „300 PS (Auto...)“ einen House-Remix zu machen? 300 PS ist harter Gitarrensound! Zu Samurai II fällt mir nichts mehr ein, es ist ein einfacher, liebloser Remix. Ist das meine EAV? Ich gebe auf. Aber die Stimmung bessert sich: Märchenprinzist das erste richtig gute Lied auf dem Album. Der neue, selbstironiegetränkte Text und das knackige, keyboardlastige Arrangement sind ein richtiger Zuhörer. Da stimmt einfach alles. Beim nächsten Lied erreicht die CD ihren Höhepunkt: Stumpf ist Trumpf, eine absolut neue Fassung des eher mittelmäßigen Blöd vom Himmel & Hölle-Album. Ach, wären nur alle Lieder so gut wie dieses: Der Text gehört sicher zu dem besten, das die EAV je geschrieben hat. Spitzers Meinung zu BigBrother, Taxi Orange und Co.: „Wenn da blöde Plunsen ungehemmt mit Null IQ öffentlich Problemchen grunzen, schalt ich mich gerne zu. [...] Willkommen in der Welt der dummen Schweine!“ Brilliant ist das!

Die Rehabilitation in Sachen Arrangements folgt beim nächsten Lied: Aus dem eh schon harten „Einmal möchte ich ein Böser sein“ wird eine bitterböse, düstere Gitarrengruft. Ist das Rammstein? Ist das meine EAV? Ja, das erinnert mich schon mehr an meine EAV. Die Schinkenstraße-Quoten-Lieder Wein von Mykonos und Ba-Ba-Ballermann skippe ich gleich weiter und bleibe bei einem HipHop-Beat stehen. Was? Aus dem „Alpenrap“ mit dem Alpen-Sepp wird Räp Zep, im besten HipHop-Style - und da steckt richtig „flow“ in den Reimen von Eberhartinger! Wow, nicht schlecht. Selbst der längst überfällige Vergleich von Alpen-Sepp mit dem Anton aus Tirol fehlt nicht! Daß an der Copacabana Techno Volksmusik ist, war mir neu, deshalb gleich weiter zum nächsten Lied.

Ich habe mich richtig gefreut, als ich las, daß „Leckt's mi...“ auf dem Let's-Hop-Album sein wird. Doch nach den Medley-Eskapaden vom Beginn des Albums wurde ich schnell skeptisch. Die werden doch nicht einen Housebeat unter dieses Wiener-Lied legen? Nein, haben sie nicht. Welche Stilrichtung würde wohl am besten passen? Reggae! Da bist Du nicht draufgekommen? Ich auch nicht, dafür aber die EAV! Und man glaubt es nicht, es paßt! Und nicht nur das: Es ist wohl die genialste Idee auf diesem Album! Ist das meine EAV? Musikalische Überraschungen wie diese Smooth-Version von Leckt's mi machen die EAV aus. Der Jamaikasound macht die Ironie einfach perfekt! Warum war Bob Marley kein Österreicher?

Erleichterung stellt sich auch bei Heiße Nächteein: Es wurde in der Originalversion belassen. Küß die Hand, EAV ist eine neue Version von Küß die Hand, schöne Frauund klingt ganz ordentlich. Das darauffolgende „Morg'n, morg'n“ hat es schwer, sich von der besonderen Atmosphäre am Ende eines EAV-Konzerts abzuheben - für Fans ist die Originalversion einfach besser, neue Fans werden es aber mögen. Einen Bonustrack hat die EAV der eh schon prall gefüllten CD auch noch verpaßt: Fata M ist eine eigenartige, sehr ungewöhnlich klingende Version von Fata Morgana - trotzdem hat das Lied etwas: Es steckt voller musikalischer Zitate - schön ist die Anspielung auf Jan Delay („offene Herzen lügen nicht“). Der eigentliche musikalische Abschluß der CD ist jedoch ein „hidden track“ vor Fata M: „Was haben wir gelacht? Ha ha, ho ho!“ klingt wie eine Jam-Session am Ende einer langen Studionacht. Ist das meine EAV? Ja!

Die CD weckt bei mir gemischte Gefühle. Einige Perlen wie Stumpf ist Trumpf oder Leckt's mi wirken versöhnlich, der Rest ist absolute Geschmacksfrage - mein Geschmack ist es jedenfalls nicht. Schade ist nur, daß die EAV die Lieder in absolutem Mainstreamsound verpackte - da ist kein musikalisches Profil mehr erkennbar. Wir Fans sehen die Best-of als weiteres Projekt an und hoffen auf das nächste Album im Herbst. Damit mich keiner falsch versteht: Die EAV darf (und soll!) sich verändern, nur muß der Stil erhalten bleiben. Daß die EAV dazu fähig ist, sieht man an den Veränderungen im Laufe der 20 Jahre. Vom politischen Kabarett zum Pop! Das ist meine EAV!

Ist das Deine EAV?. Schreib mir Deine Meinung!

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 18.05.2001