Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Alte Liebe

Platinum Kolläktschn endgültiges Cover

Dies ist die Geschichte einer - ja was denn? Einer Liebesheirat? Einer Zweckehe? Einer Hassliebe? Alles begann 1978: Jahre lang versuchte die Verunsicherung, einen Plattenvertrag zu bekommen. Die erste Platte konnten sie noch über den Vertrag von Wilfried bei der EMI veröffentlichen, also quasi als Wilfried-Platte mit Beteiligung der Verunsicherung. Die nächsten Platten mussten entweder über kleine Verlage wie dem Label „Mood Records“ vom Zweitausendeins-Verlag oder gar via Selbstverlag (dem eigenen Label „UN-Platte“) an den Mann und die Frau gebracht werden. Erst für die Veröffentlichung der Single „Alpen-Rap“ bekam die EAV einen Plattenvertrag bei EMI. Die Ehe war besiegelt und viele Jahre unbeschreiblich erfolgreich.

Doch im Jahr 1994 begann die Krise. Das Album „Nie wieder Kunst“ konnte nicht mehr an die außerordentlichen Erfolge der Vorgängeralben anschließen und innerhalb der Band gab es erhebliche Differenzen. Plötzlich blieben von der EAV im Wesentlichen nur noch Klaus Eberhartinger und Thomas Spitzer übrig.

Die nachfolgenden Alben liefen keineswegs schlecht, doch die Plattenfirma stellte wohl andere Ansprüche. Endgültig eisig wurde die Stimmung beim Album „Frauenluder“ . Die Plattenfirma schien die EAV abgeschrieben zu haben. Noch nie waren die Vorstellungen der EAV und der Plattenfirma unterschiedlicher. Nach dem ungewollten Überraschungserfolg der Single „3 weisse Tauben“ wollte die EMI ein Album, das diesen plumpen „Ballermann-Stil“ weiterführt. Die EAV strebte jedoch nach mehr Authentizität und es kam „Frauenluder“ heraus - der Gegenentwurf zu „3 weisse Tauben“. Obwohl keine Promo und keine Werbung mehr für das Album gemacht wurden, kam das Album von 0 auf 1 in die österreichischen Album-Charts und von 0 auf 90 in die deutschen Album-Charts (und verschwand in der nächsten Woche wieder aus den deutschen Charts). Es war das letzte Album im bestehenden Vertrag. Der Vertrag lief aus, die Ehepartner wollten nichts mehr von einander wissen, keiner wollte mehr mit dem anderen zusammenarbeiten. Man ging getrennte Wege.

Nun gut, nach einigem Zögern (und einem One-Night-Stand mit dem blutjungen Label „Media Spirit“) fand die EAV wieder einen neuen Ehepartner, der genug Mitgift mitbrachte, und versuchte einen Neuanfang mit einer Neuaufnahme von alten Hits und Klassikern. Und siehe da, es lief wieder: In Österreich ist das Album bereits seit 39 Wochen in den Charts, in Deutschland war es immerhin 18 Wochen (Bestplatzierung: 40) vertreten. Dieser Erfolg wurde mit „Gold“ in Österreich bedacht. Klaus Eberhartinger sprach in der Sendung „Feiertagsfrühschoppen“ gar schon von „Platin“ (laut EAV-World soll dieser Status jedoch noch nicht ganz erreicht sein). Ganz nebenbei meinte er auch, dass das Album in Deutschland „auf Goldkurs“, genauer gesagt „kurz vor Gold“ sei. Das wäre tatsächlich eine Sensation. Fragt sich nur, was „kurz vor“ bedeuten soll und ob die hohe Schwelle von 100.000 Verkäufen angesichts fehlender Platzierung in den Top 100 noch überschritten werden kann. Das letzte Gold-Album in Deutschland war „Watumba!“ , es verweilte aber auch 21 Wochen in den Top 100, 13 davon im Bereich zwischen den Positionen 20 und 30.

Angesichts des enormen Erfolgs des Albums legte SonyBMG noch eine Live-Doppel-DVD oben drauf und verzückte die Fans. Und nicht nur die. In Österreich kam die DVD sofort auf Platz 1 und ist immer noch in den Top 10 vertreten. Die eigentliche Sensation war aber der Einstieg in die Top 20 der deutschen Musik-DVD-Charts und zwar auf Platz 6. Als geschiedener Ehepartner kann man da schon neidisch werden, wenn man zusehen muss, wie der Ex so große Erfolge feiert, ohne selbst beteiligt zu sein. Und so schien es auch wie eine Trotzreaktion, als die EMI eine „Platinum Collection“ mit alten Hits ankündigte, so als ob man auf der „Erfolgswelle“ mitschwimmen mochte. Im Herbst 2005 wurden diese Pläne ohne Begründung aufgegeben, jedoch nicht für lange.

Anfang 2006 nahm die EMI die Pläne wieder auf und klopfte sogar bei der Verunsicherung an. Dazu Klaus Eberhartinger zu EAV-World: „Wir haben einer Veröffentlichung zugestimmt, da die Songs, die auf den 3 CDs veröffentlicht werden, eh alle der EMI gehören, wollten aber keine nähere Kooperation eingehen. Beispielsweise wurde Thomas angefragt, ob er ein Cover für die CD-Box entwerfen möchte oder wir einen TV-Spot für die Veröffentlichung produzieren wollen. Dies alles haben wir aber abgelehnt.“ Erstaunlich, nicht wahr? Plötzlich erschien der Ex doch gar nicht so unattraktiv. Plötzlich wollte man sogar Promo machen. So ist es halt mit der Liebe. Erst wenn die Geliebte unerreichbar ist, wird sie wieder interessant. Aber ist sie denn wirklich so unerreichbar? Im Vertrag mit SonyBMG war nur ein Album plus einer Option auf ein weiteres enthalten. Theoretisch wäre also eine Rückkehr zur EMI möglich. Dies wird aber laut EAV-World ausgeschlossen. Ein solcher Schritt wäre ja auch nur äußerst schwer nach außen zu vermitteln angesichts der Vorgeschichte mit der EMI.

Soviel zu den Hintergründen. Was erwartet uns auf dieser 3er-Box, die den Namen „Platinum Kolläktschn“ trägt und am 28.04.2006 in die Läden kommt? Kurz gesagt: Schon wieder lauter altes Zeug. Schon wieder eine Best-of. Schon wieder Aufgewärmtes. Allerdings verstecken sich neben den vielen Redundanzen auch interessante Stücke, die der eine oder andere Fan wohl nicht haben oder kennen wird. Beispielsweise sind ein paar Lieder vom ersten Album dabei. Auch „Tu Felix Austria“ oder einige nur auf Singles oder Maxi-CDs veröffentlichte Lieder sind bestimmt für viele interessant. Außerdem handelt es sich bei allen Liedern um die Original-Versionen, die EMI hat ja schließlich im Gegensatz zu SonyBMG die Rechte an den Original-Versionen.

Lohnt es sich also, diese 3er-Box zu kaufen? Ok, für meinen Geschmack sind es einfach zu viele Best-ofs, die es von der Verunsicherung (teilweise ohne deren Zutun) gibt. Ob ich mir die „Platinum Kolläktschn“ kaufe? Wahrscheinlich schon, denn ein paar objektive Gründe sprechen dafür: Zum einen sollen die Lieder angeblich klanglich „restauriert“ worden sein (UPDATE: restauriert sind wohl nur sechs „Raritäten“), zum anderen sind ja wirklich einige Perlen dabei, die man nur (wenn überhaupt) auf Vinyl und nicht auf bequemer CD hat. Wer einige der Raritäten auf der Trackliste nicht kennt, sollte auf jeden Fall zugreifen (genauere Infos darüber, um welche Versionen es sich genau handelt, folgen, wenn die Box erschienen ist):

DISC 1
1. 	Ding Dong
2. 	Märchenprinz
3. 	Burli
4. 	Morgen
5. 	Küss die Hand, Herr Kerkermeister
6. 	Drei weisse Tauben
7. 	Ba-Ba-Banküberfall
8. 	Auf der Nepperbahn
9. 	S'Muaterl
10. 	Der Wein von Mykonos
11. 	300 PS (Auto)
12. 	Go Karli Go
13. 	Sandlerkönig Eberhard
14. 	Johnny (1) Fahrscheine
15. 	Die Zeit

DISC 2
1. 	Guten Morgen...
2. 	Küss die Hand, schöne Frau
3. 	Fata Morgana
4. 	An der Copacabana
5. 	Samurai
6. 	Jambo
7. 	Afrika-ist der Massa gut bei Kassa
8. 	Heisse Nächte in Palermo
9. 	Der Tod
10. 	Einmal möchte ich ein Böser sein
11. 	Neandertal
12. 	Hip Hop Medley
13. 	Bongo Boy
14. 	Johnny (4) Feuer
15. 	Leckt's mi

DISC 3
1. 	Tu Felix Austria
2. 	Ba-Ba-Bankrobbery
3. 	Hit-Medley
4. 	Wir Schwyzer
5. 	Es wird heller
6. 	Pustel Gunkel
7. 	Es steht ein Haus in Ostberlin
8. 	Helden
9. 	Erzherzog Jörgerl
10. 	Liebelei (The Pickel King From Ottakring Version)
11. 	Die Intellektuellen
12. 	Disco Dillo
13. 	Die Braut und der Matrose (Version Albern Hans)
14. 	Alpenrap (Schwedische Version)
15. 	Ba-Ba-Ballamann (Prunz von Rinal Mix)
16. 	Ping Pong (Radio Version)
Im Internet kursierendes Alternativ-Cover

Auch dieses Mal hat sich die Musikindustrie nicht lumpen lassen und gleich mehr als eine Version des Covers im Internet kursieren lassen. Die endgültige Version ist offenbar das oben abgedruckte Cover. Das neben diesem Absatz (rechts) stehende Cover ist dagegen nicht offiziell (und ist beispielsweise auf amazon.de zu finden). Künstlerisch sind beide Versionen ganz in Ordnung, man könnte sogar von einem Quantensprung der Kreativität bei EMI sprechen, wenn man sich die CD „The Very Best Of“ vor Augen führt.

Kommen wir zum Schluss wieder zur Anfangsfrage zurück. War die Partnerschaft mit der EMI eine Liebesheirat oder eine Zweckehe? Nun ja, es war eine Ehe, das muss reichen. Außerdem: Wer ist denn die Frau und wer der Mann? Oder handelte es sich hier etwa um eine eingetragene Lebenspartnerschaft? Ach ja, die gab es damals noch nicht.

Mit Dank an Almut G. für die Idee des „Ehe-Vergleichs“.

Update

Für Unentschlossene gibt es bereits Hörproben. Restauriert wurden wohl nur die sechs Raritäten.

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 20.04.2006