Neue Helden braucht das Land - Ein erstes Hörprotokoll
Ich bin krank. Es ist zum Schreien, sagt der Volksmund, nur was weiß der Volksmund schon! Wenn ich nur Schreien könnte. Meine Stimme muss sich durch einen zugeknoteten Hals mit Mandeln der Größe eines Cornetto-Eises quälen. Da bleibt am Halsende nicht mehr viel über. Außer Haus konnte ich bis vor kurzem auch nicht gehen, ich konnte mich gerademal einem Ozzy Osbourn gleich schlürfend durch die Wohnung bewegen, die Schultern bis zum Knie hängend, die Füße auf eine Höhe von 5 Millimeter hebend. Ich habe versucht, Zahnpasta in der gegenüberliegenden Drogerie zu kaufen, doch das war eine Anstrengung, die einer Everest-Besteigung glich.
Wo bleibt eigentlich die Pharma-Industrie, wenn man sie braucht? Willig, mit der Chemie-Keule der härtesten Sorte auf meine Grippeviren einzuprügeln, frage ich die Apothekerin, doch die zuckt nur mit den Schultern und gibt mir drei verschiedene Pillen, die so erbärmlich harmlos aussehen, dass die Viren nicht mal müde lächeln, wenn sie denn überhaupt Lippen hätten, diese widerlichen Erreger. Da fliegen sie auf den Mond, doch für eine Erkältung haben sie nichts! Verflucht sei die Teflonpfanne! Warum gibt mir die Apothekerin überhaupt Tabletten gegen Schnupfen? Muss man die nasal einführen, sind das Nasenzäpfchen?
Voller sinnloser Wut auf die Pharma-Mafia, die Gesundheitsreform, die Apotheker-Lobby und Grippeviren, aber viel zu matt, um die Wut rauszulassen — das sind doch beste Voraussetzungen für das erste Anhören des neuen EAV-Albums. Jeder noch so kleiner Lacher schmerzt und der Bass tut mir im Hals weh. Aber das ist egal, was tut man nicht alles für seine Lieblingsband.
Wie bei „Frauenluder“, „100 Jahre EAV“ und „Amore XL“ gibt es auch dieses Mal zu „Neue Helden braucht das Land“ ein Hörprotokoll von mir. Es handelt sich um die ersten ungefiltern Gedanken, die mir beim ersten Hören einfallen. Wie immer schonungslos direkt und möglicherweise voller Falschinformationen:
Cover/Backcover: Juhu, man hat dem Designer noch ein paar Milimeter für das Verschieben des Logos bezahlt. Dafür ist nicht genug Milimeter-Geld für den Zuschneide-Designer des Backcovers übrig geblieben, Kurt „Obama“ Keinrath ist im Gesicht abgeschnitten.
Booklet und CD-Case: Neppomuk! So ist's recht, hängt ihn höher! Der größte Brüller des Albums. Leider keine weiteren Grafiken von Tom, dafür spielt die gesamte Band diesmal die Hauptrolle im Booklet, schön! Es scheint so, als wäre ein Stammmitglied des EAV-Fan-Forums im Booklet auf der Seite des Fanclubs zu sehen. Dafür gibt's die goldene Ehrennadel für Tapferkeit im Heldeneinsatz, T.!
Dummheit an die Macht: Der Raucher textet. :) FC Pudel ohne Kern. Ja, ja, da spricht der Raucher. Sehr richtiger Kommentar zur Krise, kein „schwarzer Vogel“ bringt die Krise. Der Raucher hustet. :) Spekulationen mit Nahrungsmitteln sind sogar auch Thema. Und schon wieder das Raucherverbot. Da wird aber thematisch ein großer Bogen gespannt. Sehr schön.
Rabatt, Rabatt: Soviel Namedropping war noch nie bei der EAV. Sehr lässig! Sieh da, ein Ich-Erzähler. Guter Sound. Kassenschrat ist mal wieder ein echter Spitzer! Selbstmord mit dem Gartenschlauch von eBay, sehr schön.
Ein Huhn: Erinnert mich an „Ratatouille“. Haha, wie kommt man auf sowas?
Neue Helden braucht das Land: Manische Wut auf Kochsendungen. :) Richtig schön doof, das „schau, schau“. Mumien-Casting.
Baden in Aden: Piraten in Aden? Ist das so?
Obama: Du meine Güte, schon in der ersten Strophe soviel Anspielungen und Methaphern, dass ich gar nicht mitkomm! Ist auch musikalisch eine Fortführung von GBA, dem Song über das Debil-Fossil. Pyjama reimt sich auf Obama und ist zusammen mit dem Ku-Klux-Klan in einem Vers, das kann auch nur die EAV.
Simsalabim: Omm, Omm! Sie kommt NATÜRLICH aus Dunkeldeutschen Landen! Omm, omm! Sehr feinsinnig böse. Das „Omm“ wurde perfekt zum Hauptthema des Liedes gemacht, sehr gute Idee! Grobstoffliche Masse! Größter Lacher bisher. Typischer Spitzer-Song.
Die Vogelschar: Großartig!
Nostradamus: Boa, mächtig viel Druck! „Die Kirche steht am selben Platz wie der dunkelbraune Bodensatz“, du meine Güte, hat er das wirklich gesagt? Unfehlbarer Rückwärtsgang. Kirchenorgel! Gothic! Auch an Opus Dei und Lefebre denkt er! „So lang Religion eine Droge ist, bleibt jeder Glaubensjunkie ein Terrorist“ - das ist die brutalste Textstelle aller Zeiten im EAV-Gesamtwerk. Nur ich verstehe die Logik nicht so ganz.
Die Steirerwerdung: Wiederkehr des Erzherzogs.
Männer brauchen Tritte: Swing as swing can. Sowas Leichtes nach dem schwer verdaulichen Vorgänger ist ein harter Schnitt, aber beruhigt auch wieder. Politik der kleinen Schritte. Nein, nicht schon wieder „guru“. Ist ja nicht nur ein Pseudo-Swing, das klingt recht ordentlich. Eat this, Roger Cicero! Endlich kriegen es diese entsetzlichen Frauen-Versteher „mit dem schwarzen Dan“ (hehe), die mit dem Sternzeichen-Schrott pseudowissenschaftlich rumsäuseln, ab! Diese Männer, die den Frauen ihre egoistischen Vorstellungen, was Romantik ist, eintrichtern, so dass das Feld für echte Romantik nur noch verbrannte Erde ist! Danke, danke, danke! Es ist abgedroschen, aber: Endlich sag es mal einer!
Eloise & die Krise: Bumbum. Viel bumbum. Das Wortspiel mit der Doppelbedeutung von „Devise“ hab ich noch nie gehört, clever! Der Bass tut dem Hals weh. Sehr bitterer Song. „Gambelt“? Mittelstand geht weg, die Menschen werden gleicher.
Supertürke: Guter türkischer Singsang. Duselmane. „nur um die geht's“, sehr vorsichtige Klarstellung. :) Klaus in Hochform. Talk-Show-Gänger, gut beobachtet! „So steht's im Koran“, extrem gute Pointe der Story. Respekt für den Song, sehr ausgewogen, sehr lustig, gute Aussage!
Toleranz: The Return of the Herr Franz! „Mohr im Hemd“. Jazz, großartige Stammtischgespräche. Das Wiener Lied musste sein. „Das schwächste Glied vom Rosenkranz“. Da sind aber auch alle Klischees des Stammtischs drin, großartig! „Aufrecht im Armani-Gwand!“, der Strache war schon längst überfällig! Das Lied, das wohl einige nicht verstehen werden. Hat einen Hauch von „Biedermann und die Brandstifter“.
Stein der Weisen: Die Intros sind diesmal grandios blöd, so muss es sein!
Hypochonder: Klaus singt so leidend, so lässig perfekt! Was heißt Hypochonder? Ich bin wirklich krank! Ohrwurm, au weh! Das Klatsch-Intro ist super. Eine Klangfantasie vom Feinsten. Ha, diese Hypochonder. Gut, dass ich kein Hypochonder bin.
Bitte Bier: Fängt mit gutem Text an. Nerv-Ballermann-Bumbum. „Eine kleine Simpelzeile für den Mob der Hopfenmeile“, grandios. Gebt's ihm halt a Bier, der nervt mit seinem „Bitte Bier“. Das Gitarrenriff kommt mir bekannt vor. Das ständige Wiederholen von „Bitte Bier“ tendiert auf Platz zwei hinter „Wo ist die Kohle?“ in der nach oben offenen Nervskala. Aber gute Textstellen!
Beim Csejtei im Hof: Anrührend gesungen. Heimatlied mal ganz anders. Wunderbar, einfach wunderbar!
Wie schön (wär diese Welt): Streich den sechsten Tag. Frei von Körperhaaren, aber was hat die Welt davon. Er ist wohl doch kein Misanthrop, der Thomas. Steigert sich immer mehr ins hymnenhafte. Ein trauriger, aber versöhnlicher Abschied, da es noch einen Funken Hoffnung gibt. Tränen!
Was für ein deftiges und gehaltvolles Album! Ich habe das Gefühl, erst die Hälfte aller Anspielungen, Wortspiele und Ideen gehört bzw. verstanden zu haben. Das Album könnte ein großes Monument im EAV-Gesamtwerk werden! Eine ausführlichere Rezension gibt es natürlich wie gewohnt erst nach einer Bedenkzeit von mir. Ich gehe jetzt erstmal schlafen. Morgen muss ich noch gefühlte 1000 Beiträge zum neuen Album aus den letzten drei Tagen im EAV-Fan-Forum nachholen. Jeder, auch DU, ist herzlich eingeladen, sich an der lebhaften Diskussion zu beteiligen!
Autor: Alexander Mayer
Letzte Änderung: 05.02.2010