Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Endlich Weihnachten!

Ein Kommentar von Alex.

Als Künstler sind dabei (1. Reihe von links nach rechts): Turbobier, Gert Steinbäcker, Lemo, Klaus Eberhartinger, Mario Bottazzi, Eik Breit, Willi Resetarits; (2. Reihe von links nach rechts): Paul Pizzera, Thomas Spitzer, HORST, Christoph Seiler

Die brennende Frage, ob die EAV nach ihrer selbstinszenierten Beerdigung („1000 Jahre EAV Live - Der Abschied“ ) im Himmel oder in der Hölle landete, dürfte nun nach dem exklusiven Werbedeal mit der Kronenzeitung klar beantwortet sein: Die EAV hat ihre arme Seele dem da unten verkauft, um nochmal hier bei uns ein bisschen Weihnachten feiern zu können. Nix da mit Manna und Hosianna singen. Alk und Tschick am Grillfeuer ist angesagt.

Die mächtige und kampangnenstarke österreichische Boulevardzeitung „Kronen Zeitung“, das neue Sprachrohr der EAV, veröffentlichte am 5. September 2021 einen als Werbetext anmutenden Artikel, der ankündigte, dass das seit langem schon gärende Weihnachtsprojekt von Thomas Spitzer (verUNsicherung.de berichtete regelmäßig darüber) nun am 5.11.2021 unter dem sperrigen Namen „EAVliche Weihnachten - Ihr Sünderlein kommet“ veröffentlicht wird. Mit dabei sind zahlreiche junge österreichische Künstler wie Paul Pizzera, Christoph Seiler, Turbobier oder Lemo, die Thomas Spitzers Songs ihre Stimme oder das, was sie dafür halten, leihen. Aber auch alte Weggefährten und Freunde wie Willi Resetarits (Dr. Kurt Ostbahn) oder der ehemalige EAV-Sänger Gert Steinbäcker (STS) sind mit dabei. Dazu gesellen sich weitere ehemalige EAV-Mitglieder wie Eik Breit und Mario Bottazzi. Ein geradezu familiäres Album, bei dem auch Thomas Spitzers Tochter Anna Neumeister und Klaus Eberhartinger (ein kurzes Zwischenstück) nicht fehlen. Die Trackliste sowie alle Beteiligten am Album findet ihr in der Diskografie:

„EAVliche Weihnachten - Ihr Sünderlein kommet“

Nun könnte sich ein noch nicht informierter Leser die Frage stellen, ob wir ein Comeback der EAV feiern dürfen? Denn hatten sie nicht aufgehört? Aber auch hier lässt sich das EAV-Fachblatt gleich in der Überschrift von der EAV die Antwort diktieren: „Kein Band-Comeback“. Nein, die EAV kommt mit dem Album nicht zurück. Wir sehen die nächste Generation des Projekts „EAV“, eine Generation, die aus der Asche der Pop-EAV hervorsteigt. Die EAV war und ist seit jeher eine Projektionsfläche für die Ideen von Thomas Spitzer. Spätestens seit dem Jahr 1999 lotete Thomas Spitzer die Grenzen dessen aus, was die EAV ist und was sie machen darf. Experimente wie „Himbeerland“ oder „Austropop in Tot-Weiss-Tot“ waren noch erkennbar in sich abgeschlossene Projekte, später dann wurden mit Liebesliedern und ernsten Texten auch die Grenzen der klassischen Studioalben auf Biegen und Brechen gedehnt. Ein zwanzig Jahre langer Kampf von Thomas Spitzer um Anerkennung seiner Kompositions- und Texterfähigkeiten, bei denen seine unnachahmlichen auf Sprachwitz basierenden Comictexte nur eine Schattierung von vielen ist. „EAV“ ist, was Thomas Spitzer für „EAV“ hält.

EAVliche Weihnachten

Der sprachlich ungelenke Albumtitel „EAVliche Weihnachten“ ist der am wenigsten gute Albumtitel aller Albumtitel der EAV und hätte einfach mit dem zweiten (kreativen und passenden) Titel ersetzt werden sollen: „Ihr Sünderlein kommet“. Wer Wortspiele mit dem Wort „EAV“ macht, schmückt sein Facebook-Profil auch mit seinem Lebensmotto „Carpe Diem“ und findet, „dass das Leben wie eine Pralinenschachtel ist“. Oder wünscht jemand „adac-ige Fahrt“ oder „aok-ige Besserung“? Mit dem Cover — so nennt man Recycling in der Kunstszene — zitiert sich die EAV selbst, nämlich eine grafisch sehr gelungene Abwandlung einer Werbegrafik der Weihnachtsshow aus den Anfangsjahren der EAV. Letztendlich ist das gesamte Album eine Wiederverwendung einer Idee aus den 70er Jahren. Ein Spaßprojekt motiviert aus Erinnerungen an die wilden Weihnachtsshows und angetrieben von dem 40 Jahre lang währenden Wunsch von Thomas Spitzer, eine Weihnachtsplatte zu veröffentlichen.

Santa Klaus

Sehr ungewöhnlich ist, dass mit dem Song „Scheitlknian am Weihnachtsabend“ ein Track auf dem Album ist, der nicht von Thomas Spitzer geschrieben wurde, sondern von der Band „HORST“, die sich mit einem Video im Jahr 2014 öffentlich als Vorband für die EAV bewarben. Sieht Thomas Spitzer etwas besonderes in dieser Band, das ich nicht sehe? Warum überlässt Thomas Spitzer einen ganzen Song auf einem EAV-Album jemanden anderen? Der Thomas Spitzer, dem sonst jegliche Arbeit anderer entweder nicht gut genug ist oder sie soweit verändert, dass sie doch wieder seins wird? Zugegeben: Thomas Spitzer fragte in einer spektakulären Aktion im EAV-Fan-Forum im Juni 2011 nach Ideen und Texten für das Weihnachtsalbum und wollte die bei Gefallen sogar aufnehmen in das Album. Letztlich waren ihm aber (wie praktisch immer) die meisten Ideen doch nicht gut genug. Nun, 10 Jahre später, ist Thomas Spitzer vielleicht einfach an dem Punkt angekommen, an dem er von der Last des Erfolgsdrucks befreit ist und ihm nicht mehr alles so wichtig ist, vielleicht auch egal. Es bringt durchaus ein Stückchen Tragik mit sich, dass Thomas Spitzer erst mit diesem Album so spät in seiner Karriere so richtig Kontrolle über den gesamten Produktions- und Veröffentlichungsprozess hat (das Album ist beim kleinen Label GRIDmusic erschienen und wird vertrieben bei Universal).

Aber kommen wir zum Entscheidenden: Welche Ausgaben des Albums gibt es und wo kann ich sie kaufen? Das ist überraschend schwierig zu beantworten. Es brauchte einige Wochen, bis ich es vermeintlich verstanden habe und möchte Euch das Ergebnis meiner wissenschaftlichen Arbeit nun präsentieren.

Die CD-Buch-Edition

Das Album gibt es natürlich auf allen Streaming-Plattformen und zum Download. Für Freunde des physischen Tonträger gibt es das Album auf Doppel-Vinyl (ohne Download-Code) und auf CD. Allerdings ist bei der CD-Version noch eine weitere Bonus-CD mit Demos der Albumsongs enthalten. Zudem ist auch diesmal bei der CD-Auflage (nach „Alles ist erlaubt“ und „1000 Jahre EAV Live - Der Abschied“ ) ein umfangreiches Buch dabei mit vielen Comics von Thomas Spitzer zu den Songs sowie einigen Hintergrund-Infos zu den Kooperationen mit den anderen Künstlern. Das freut den EAV-Jünger, der aber die Stirn runzelt und rätselt, warum die CD-Auflage Bonus-Tracks und Buch enthält, nicht aber die Vinyl-Auflage? Aber die Rätsel enden hier noch nicht. Nun gibt es auch jeweils von den beiden Auflagen (Vinyl und CD) auch noch nur bei eav.at erhältliche „exklusive“ Pakete, bei denen zusätzlich alles in Geschenkpapier eingepackt ist, eine (wiedermal aus den 70er Jahren recycelte) Grußkarte dazu gelegt wird sowie eine Mütze beiliegt. Als braver EAV-Jünger klickt man sich also nach der Klo-Lektüre der Kronenzeitung auf die EAV-Website durch zum eav.at-Shop und sieht da zwei Produkte angepriesen: Ein Paket mit Doppelvinyl mit Geschenkpapier, Grußkarte und Mütze sowie ein Paket mit CD, Bonus-CD, Buch, Geschenkpapier, Grußkarte und Mütze. Wie? Hat die Klimakrise jetzt schon dafür gesorgt, dass es so kalt wird an Weihnachten, dass ich zwei Mützen brauche? Ich würde doch gerne alles haben, also Vinyl und CD, aber nicht zwei Mützen?

Die Vinyl-Edition

Die Vertriebsstrategie ist verwirrend. Exklusive Pakete direkt gekauft vom Künstler sind mittlerweile Standard und erfreuen die Band und die Fans, die ihre Lieblingsband gerne unterstützen und dabei ein bisschen Exklusivität gerne mitnehmen. Aber bei dem Weihnachtsalbum ist nicht verständlich für mich, warum es Vinyl einzeln gibt, aber nicht die CD. Und warum es dann Vinyl mit denselben Goodies wie die CD-Variante bei eav.at gibt. Wenn man zwei exklusive Pakete anbieten will, sollten sich diese doch soweit voneinander und auch von den im Handel befindlichen Tonträgern unterscheiden, damit man auch was davon hat. Auch dass das Buch normal im Handel verfügbar ist, verstehe ich nicht. Logischer wäre es, das Buch exklusiv auf eav.at mit Vinyl und/oder CD zu verkaufen.

Wer jetzt immer noch verwirrt ist, dem sei diese ultimative Kaufentscheidungsmatrix empfohlen:

Entscheidungsmatrix

Ob die Bonus-Tracks noch irgendwann im Streaming oder als Kauf-Download erscheinen, würde ich aus Erfahrung nicht ausschließen. Es war auch bereits bei „1000 Jahre EAV“ so, dass die als „exklusiv“ beworbene Bonus-CD plötzlich jeder auf iTunes kaufen konnte. Das Wort „exklusiv“ ist bei der EAV seit Jahrzehnten verbrannt und auf Zusagen sollte man sich einfach nicht verlassen, da bei Albumproduktionen zu viele Akteure mitspielen und einfach tun, was sie für richtig halten oder ihnen gerade einfällt ohne nachzudenken.

Möchte man also alles haben, was es im Angebot gibt, sollte man bei eav.at das Paket mit CD kaufen und dann im freien Handel noch das Vinyl. Dann ist man bei ca. 90 Euro angekommen.

Wer noch unschlüssig ist, ob er das Geld investieren will in dieses Projekt, kann sich bereits vorab mit dem Song „Weihnachten ned leiden“ ein Bild machen, gesungen von Lemo (erschienen auf allen Streaming- und Download-Portalen). So ganz nimmt man dem sympatischen Sänger und Singer-Songwriter den griesgrämigen Weihnachtsverächter, welcher in dem Song eher zusammenhanglos und ohne wirklichen Spannungsbogen über Weihnachten schimpft, nicht ab. Die Geschmäcker sind verschieden. Aber wer bei dem Song nicht frohlockt, kann ja die zweite Vorabsingle mit Altmeister Gert Steinbäcker vorbeirollen lassen: Roll over Bethlehem. Und diese Rock'n'Roll-Nummer über den wilden Roadtrip nach Bethlehem macht wirklich Spaß. Kripp-, Kripp-, Kripperlspaß!

Zum Abschluss sei gesagt, dass sich der Autor dieser schalen Zeilen, der seit über 20 Jahren über die EAV schreibt, noch nie so schwer getan hat, über ein neues EAV-Album zu berichten. Eigentlich habe ich die Berichterstattung auf Eis gelegt, ich wollte nicht mehr groß und ausschweifend berichten. Diese Zeiten sind vorbei, niemand liest mehr lange Texte oder legt Wert auf Hintergrundinfos. Doch andererseits war ich noch nie so verwirrt vor einem Albumrelease, höchstens vielleicht damals, als „Austropop in Tot-Weiss-Tot“ angekündigt wurde. Ich schaffe es nicht, eine gute Story um das Album drumrumzustricken. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine Kronenzeitung lese. Oder dass ich noch nicht in Weihnachtsstimmung bin? Fest steht jedoch: Der Autor des Albums hatte großen Spaß am Album. Vielleicht kommt das bei mir ja auch noch. Dass ich einen Faible für unfertige Projekte mit Spaß an der Freude habe, zeigt meine Begeisterung für das in der EAV-Gemeinde nicht so gut angenommene „Was haben wir gelacht...“ . Das Album lächelt mir bis heute einen Zauber auf die Lippen auf langen Autofahrten, wie man bei der Kronenzeitung sagen würde. Oder so.

Bildrechte: EAV/GRIDmusic

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 31.10.2021