Notizen über die allgemeine Verunsicherung
Ringsgwandl - Mehr Glanz!

Ringsgwandl: Mehr Glanz!

Das Lauwarme, das Graue, das Wischiwaschi: es ist nicht seins. Georg Ringsgwandl ist ein Künstler der Extreme und der Leidenschaft. In seinen komplementär gefärbten hautengen Leggins und der Punkfrisur der 80er Jahre steht er zwar nicht mehr auf der Bühne, aber ein bunter Hund ist er bis heute geblieben. Wie ein Ballettänzer tänzelt er auf dem Cover seines neuen Albums „Mehr Glanz!“ in Lederjacke und beblümten Hemd als Missionar des guten Geschmacks und der Perfektion über die Bühne.

Während er in seinen Frühwerken noch die tief hängenden Früchte der Texterkunst abgriff und musikalisch sehr reduziert daherkam, machte er mit dem Album „Vogelwild“ (1992) einen großen Entwicklungsschritt: Blues-Gitarristen-Legende Nick Woodland stieg in seine Band ein und die Texte wurden nachdenklicher. „Bin ich ein Kasperl oder ein Genie?“ fragte er sich damals auf dem Album. Ein erstes Meisterwerk lieferte er mit „Gache Wurzn“ (2000) ab. In der Kritikerszene wurde er mit seinen klugen und hintersinnig beobachteten menschlichen Geschichten als bayerischer Dylan geadelt. Die Gitarre von Nick Woodland und seine raffinierten Texte erreichten eine erstaunliche Symbiose, der man stundenlang zuhören könnte. Das Unausgesprochene kommentierte die Gitarre. Wo die Saiten nicht sprechen konnten, half der Text. Nach dem ebenso exzellenten Album „Untersendling“ (2009) endete die Zusammenarbeit mit Nick Woodland, welcher sich seiner Solokarriere widmen wollte. Darüber ist Ringsgwandl noch heute traurig. Doch man trennte sich im guten und hin und wieder greift Woodland ja noch in die Saiten für ihn (auf dem Album z.B. beim Song „So geht's net“). Mit Daniel Stelter wurde außerdem ein hervorragender junger Nachfolger gefunden, der Woodlands unnachahmlichen Stil bei den Ringsgwandl-Songs behutsam weiterführt.

Das neue Album ist ein Album des Zweifels und der Selbstreflexion. Mittelmaß, Trägheit, Übersättigung und Dummheit sind Ringsgwandl zuwider und damit ist er 99% der Menschheit voraus. Würde die Menschheit sich selbst mehr in Frage stellen und über das eigene Tun nachdenken, wären wir in einer besseren Welt. Er befürchtet im Opener ganz nach Konrad Lorenz den zukünftigen emotionalen Wärmetod der Menschheit. Ist denn ein bisschen Bemühen zu viel verlangt? Die Welt braucht mehr Glanz! Genauso komisch wie es ist, Blender in ihrer Unfähigkeit zu demaskieren, ist es, den hoffnungslosen Versuch, es besser zu machen, zu beobachten. Ringsgwandl macht sich dabei zu allererst über sich selbst lustig: „Für die wirklich hohe Kunst bin ich zu primitiv, für die Popmusik zu kompliziert [...] Nicht mal der Pferdemetzger glaubt, dass ich ihm Kunden zieh“.

Einer muss es ja machen, hinter die operierte Maske von Menschen wie der „botoxglatten Spaßprinzessin aus Großkummerstadt“ zu schauen, denn „Ruhm und Glanz sind öffentlich, nur das Elend ist privat“. Ringsgwandl bringt sie alle auf den Boden der Tatsachen zurück und gibt einen Hinweis, was das erbärmliche Leben doch noch lebenswert macht: die Liebe. Resigniert schaut er auf die letzten Jahrzehnte zurück und entdeckt den einen Funken Hoffnung, der das Leben lebenswert macht: „Jedes moi, wenn i so wen wie Di sig, dann woas i, was in meinem Leben no fehlt“. Doch die Liebe, die ist halt nicht der süsslich-rosarote Romantikkitsch, den die Werbeindustrie der naiven Öffentlichkeit vorgaukelt und dabei überhöhte unerreichbare Konzepte wie die wahre Liebe in die Hirne der Männchen und Weibchen mit tickender biologischer Uhr eintrichtert: Die Liebe ist Himmel und Hölle auf Erden, Enttäuschung und Zweifel kämpfen mit dem Rausch um die Vorherrschaft: „Es gibt nichts, was Dich jemals so erbärmlich quält und nichts, was wenn es weg ist, so furchtbar fehlt“. Es ist das „schaurig schöne Lied von der Liebe“, das die Menschheit vor sich hertreibt.

Das Album ist nichts für Schenkelklopfer-Fans des „Gaudibursch vom Hindukusch“ und Menschen, die seine Konzerte nur wegen der herrlich absurden Geschichten zwischen den Songs besuchen. Denn: Obacht, man muss zuhören! Wer das tut, wird entdecken, wie brilliant und komisch das Album ist. Ist Ringsgwandl nun ein Kasperl oder ein Genie? Zweifel sind nicht angebracht: Der Kasperl weiß stets alles besser, hat auf jede Frage eine Antwort, ist immer die langweiligste Rolle in einem Stück. Kurz gesagt: ihm fehlt der Glanz! Ringsgwandl hingegen glitzert, tänzelt, überrascht und erhellt. Sakradi, wos frog i denn?

02.08.2013 — Autor: Alexander Mayer