Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Katjas Bazar: Das liebende Paar

Kurze Sendepause bei verunsicherung.de. Man hat viel zu tun, versteht sich. Das Sendungsbewußtsein kann man trotzdem nicht so einfach ausschalten. Meine Musikzentrale pocht und will was sagen:

Im feinen Debütalbum „Reich und Schön“ ihrer damaligen Band „200 Sachen“ besingt Sängerin Katja Aujesky voller Optimismus die Freude am Leben. Selbst als ihr der geliebte Prinz das Herz bricht, behält die Prinzessin die Oberhand und lässt den reuigen Rückkehrer mit einem süßlichen „Vielen herzlichen Dank“ abblitzen. Nicht zuletzt mit dem Auftritt beim „Bundesvision Song Contest 2006“ wurden „200 Sachen“ mit ihrer Single „Sekt zum Frühstück“ zum beachteten Sternchen am alternativen Pophimmel, der viel zu früh wieder verschwand. Sie hätten sich getrennt im Jahre 2006, heißt es lapidar allerorten. Warum das geschah, habe ich nicht herausgefunden. (Weiß jemand mehr dazu?)

Die Band sei von SonyBMG zur deutschen Antwort auf die New Yorker Band „The Strokes“ (die bereits 2001 debütierten) getrimmt worden, habe ich einmal in einer Rezension gelesen. Das ist etwas übertrieben. Der Kritiker dachte dabei wohl an den stylischen Irgendwas-zwischen-Fifties-und-Sixties-Look, den die Bandmitglieder inklusive Afro-Frisur bedingungslos auftrugen, sowie den Garagenrock garniert mit seinen typischen kurzen Riffs. Ob nun dem Erfolg mehr oder weniger marketingtechnisch auf die Sprünge geholfen wurde: Als Retortenprodukt kann man die Band angesichts ihres Songwriting-Potentials bei weitem nicht bezeichnen. Der Nachwelt wird sie trotzdem (gewollt oder nicht gewollt) als Konzeptband in Erinnerung bleiben.

Denkt man an die Leidenschaft, die die Musik und die Texte des Albums „Reich und schön“ ausdrücken, ist es nicht verwunderlich, dass Frontfrau und Texterin Katja Aujesky nicht einfach so aus der Popwelt nach ihren 15 Minuten Ruhm verschwindet. Zusammen mit Afrit alias Cem Buldak, mit dem sie bereits bei „200 Sachen“ zusammenarbeitete, gibt sie mit dem Duo „Katjas Bazar“ ein Lebenszeichen ab, das aufhorchen lässt. Auf der EP „Das liebende Paar“ weicht dem alles treibenden Zug des Gitarren-Dribbeln von „200 Sachen“ die Vielfalt im bunten Popgewand. Dadurch kommt die einschmeichelnde Stimme von Katja Aujesky viel besser zur Geltung. Hier haben wir Pop in der richtigen Größenordnung: gehaltvoll, größtenteils üppig.

Es sind nicht nur die fetzigen Bläser in der Up-Tempo-Nummer „Das liebende Paar“ und der Charme des Opener „Unsere Liebe“, die den Hörer in guter Stimmung hinterlassen. Auch die leiseren Lieder „Stück vom Glück“ und „Regen“ sind so „Hach!“: „Regen hilf mir, wasch meine Wunden rein / wasch mich mit allen Wassern / ich will ein besserer Mensch sein“. Mit so einer Musik will man kein Geheimtipp für kleine Clubs sein, mit so einer Musik ist man für die große Bühne bereit. Und meine Güte, niemand singt so schön das Wort „schrill“ wie Madame Aujesky. Heiß, heiß, Baby!

Noch was.

18.04.2008 — Autor: Alexander Mayer