Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Erst Traunstein, dann Bayern und dann die ganze Welt

Grauschleier über dem Morgen. Die S-Bahn fährt nicht, stattdessen fahren Busse, die mit dem Wortungetüm Schienenersatzverkehr bezeichnet werden. Die allgemeine Stimmung ist so, wie sie in aller Herrgottsfrühe nur sein kann. Inmitten des Alltagstrists stehe ich mit Knopf im Ohr und bin gerührt. „I hea so gern dei Stimm, / sitz in da S-Bahn drin / Und beobacht dabei de Leid, / wia si da oa mim andan streit“, höre ich eine wunderbare Stimme singen. Griaß Eich die Madeln, servus die Buam, lasst uns über das Debütalbum „Fliagn“ der Koreck Claudia aus Traunstein sprechen.

Claudia Koreck bezeichnet ihre Musik als „handgemachte Popmusik“ mit bayerischen Texten. Auch wenn sie vorgibt, dass sie sich musikalisch an ihren Vorbildern Eva Cassidy, Nora Jones und Janis Joplin orientiert, ist es ihr doch gelungen, einen zwar nicht überraschenden, aber dennoch typischen Sound stilsicher quer durch Musikrichtungen von Blues bis Rock zu finden. Dass in ihren Texten hie und da Standard-Vokabular („Gefühl“, „Schmetterlinge“, und so weiter) auffällt, ist unwichtig. Solche Kritik ginge an dem vorbei, was ihre Lieder ausmacht: Claudia Koreck singt von dem, was sie interessiert. Sie singt von dem, was sie bewegt. Sie spricht zu einem „Du“ und als Hörer fühlt man sich gleich angesprochen, obwohl man gar nicht gemeint ist. Sie versucht, sich der Definition von Liebe zu nähern, sie hofft, die große Liebe zu finden, sie singt von der Einsamkeit, sie singt von Glück, sie singt vom Erwachsenwerden und von Freundschaft. Die ganz großen Themen also, beleuchtet aus ihrem wunderbar eigenwilligen Blickwinkel.

Claudia Koreck textet, komponiert, singt und spielt Gitarre. Und das ganze kann sie auch noch zusammen mit ihrer Band - wie ich bereits erleben durfte - ganz erstaunlich gut live. Sakradi, wos fia a Deandl! Der ehemalige EAV-Promoter Hage Hein hatte wieder mal den richtigen Riecher und brachte sie auf seinem Label „Lawine“ (Blankomusik) heraus. Mit Erfolg: von 0 auf Platz 15, nicht zuletzt dank tatkräftiger Unterstützung von Bayern 3. Da kann die S-Bahn voller Griesgrämer sein, da kann es draußen stürmen, hageln oder schneien. „Fliagn“ ist wie eine S-Bahn voller entspannter Leute oder ein weißblauer Himmel ohne Föhn. Möge die Dudelfunker und TV-Versender der Blitz beim Scheißen treffen, wenn sie dieses Naturtalent zu Tode spielen und hypen. Ich brauche die Claudia doch noch...

08.09.2007 — Autor: Alexander Mayer