Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Stranzinger im Village

Von links: Reinhard Stranzinger, David Pernsteiner und Christoph NavratilReinhard StranzingerChristoph NavratilDavid Pernsteiner beim SoloVon links: Reinhard Stranzinger, David Pernsteiner und Christoph NavratilReinhard StranzingerEine der alten äußeren Holztüren des 'Village'Die Bühne leer und verschwommenVon links: Reinhard Stranzinger, Wolfgang Hofer, Alexander Mayer, David Pernsteiner und Christoph NavratilZu schnellem Pinkeln wird geraten. Ob die Decke wirklich schwebend ist, konnte nicht abschließend geklärt werden.

Sein Name sei Dieter, teilte er uns mit. Der Mann mit graumeliertem Haar und blauer Schürze, die man in Bayern „Schaba“ nennt, steht vor der schweren handgeschnitzten Holztür einer alten Mühle. Seit 1989 beherbergt das alte mit viel Patina gesegnete Gebäude einen Live-Club, vorher war es ein Puff, ein Gourmet-Restaurant und „was weiß ich nicht noch alles“. Er habe den Club gegründet, sagte er. Und seitdem waren schon alle da, die in der Rock- und Blues-Gemeinde Rang und Namen haben. Auch gefilmt wurde hier schon mehrmals, sagte er nicht ohne Stolz. Wir sind also angekommen. Wir sind mitten im Wald, links hinter dem Ende der Welt, wo sich Fuchs und Hase „Wo sind wir denn hier gelandet?“ fragen! Wir sind im „Village“, dem Club in der Nähe von Habach im bayerischen Oberland, in dem heute (18.05.2012) Reinhard Stranzinger und seine Band das morsche Gebälk zum Rocken bringen werden.

Warum, fragen wir uns im stillen, kommen Musiker in diesen Schuppen? Unsere fragenden Gesichter sprechen wohl für sich, denn der Dieter beantwortet die ungestellte Frage: „Wir können hier nicht viel Gage zahlen, aber die Künstler können im oberen Stockwerk übernachten. Freie Kost und Logie. Außerdem haben wir ein Tonstudio, in dem man mal was ausprobieren oder aufnehmen kann.“ Die Stimmung, so fügte er hinzu, sei außerdem stets bestens und man hätte keinen Ärger mit Nachbarn. Feiern bis zum Morgengrauen kann man hier tatsächlich unbehelligt, denn mitten in diesem Tal umringt von dichtem Wald ist weit und breit keine Menschenseele. Um das Village zu finden, muss man weiter fahren, wenn man meint, die Straße sei zu Ende.

Stranzinger und Band spielten auf der kleinen Bühne im „Village“ Songs aus dem neuen Album „Wir san ned aus Zucker“ (siehe dazu meine Rezension) und aus dem vorherigen Album „Ois Oda Nix“. Der druckvolle Sound, der den Hörer auf dem Album „Wir san ned aus Zucker“ so stilvoll wegbläst, wird auf der Bühne zu einer gigantischen Soundwelle, die das Publikum von der ersten Sekunde an in jedem Milimeter des Körpers spürt. Eine Verjüngungskur für jede Zelle des Körpers. Und dabei sind nur drei Mann auf der Bühne: Christoph Navratil, der coole Mann am Bass, David Pernsteiner, der Derwischtrommler und Reinhard Stranzinger, der brettelharte Gitarrist. Musikalisch ist das alles vom Allerfeinsten, da braucht man keinen Zucker mehr, um sich den Abend zu versüßen.

Es war ein toller Gig in einer charmanten Location. Man würde sich wünschen, es gäbe noch mehr dieser Clubs. Clubs mit Charakter und Charme. Und man würde sich wünschen, dass Stranzinger und Band noch häufiger in Deutschland live zu hören wären. Doch auch wenn wir eineinhalb Stunden fahren mussten, um die alte Mühle vibrieren zu hören, es hat sich gelohnt. „Geiler Schuppen, Dieter!“, freute sich Reinhard Stranzinger zum Abschluss des Gigs. Da schließe ich mich an und möchte hinzufügen: Keep on rocking, Christoph, David und Reinhard!

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 28.05.2012