Liebe und Verunsicherung
Zum aktuellen Studioalbum der EAV „Amore XL“ wird gerne postuliert, dass sich die EAV erstmals auf einem Album zentral mit dem Thema „Liebe“ auseinandersetzte. Das ist jedoch ein vereinfachtes Bild von der EAV. Meine These: Thomas Spitzer, Texter und Komponist der EAV, ist schon seit Gründung der Band (1978) von der Liebe getrieben, Lust und Frust spiegeln sich in seinen Texten schon seit jeher wider. Alles, was von der EAV kommt, hat einen doppelten Boden. Hinter der Gaudi steckt Frust, Scheitern und - ein sehr typisches Muster der Verunsicherung - ironische Distanz: kühl beobachtet, zynisch kommentiert. Kein Wunder, dass sich diese Grundhaltung in der Schilderung aller Aspekte der Liebe niederschlägt. Eine paar Überlegung hierzu:
Die ersten Worte des Debütalbums von 1978 zeigen, wo es hin geht: „Das Leben ist ein Hundeleben!“ Über Uschi, die naive und oberflächige Protagonistin aus der Vorstadt, wird schnell klar: Sie sucht keinen Märchenprinz. Sie sucht ihren Prinz von Zinseszins. Als sich gleich der erste gut situierte Traummann bitterlich über ihre Körperhygiene lustig macht, entdeckt sie den Konsum und die verheißungsvoll beworbenen Produkte der Kosmetikindustrie. Besser gestaltet sich die Suche nach dem Mann des Lebens jedoch auch durch ausgiebigen Konsum nicht: Sie begegnet sexuell gestörten Autonarren, italienischen Machos und selbstverliebten Disco Dillos. Mittlerweile ist sie nicht nur Konsumentin in der „Lametta-Scheinwelt“, sie ist Teil des Systems und verdingt sich in einer Schuhboutique. Sie lernt die Betten der Porsche Schorschis der großen weiten Welt kennen, bis einer endlich ihr „treu bleibt“, wie es lapidar im Lied „Uschi“ heißt.
So endet die Liebesgeschichte von „Uschi im Glück“, die unbekümmert „immer nur vorwärts, nie zurück“ sieht und doch nur „vom großen Kuchen [...] ein Stück versuchen“ will, jedoch nicht. Uschi biedert sich einer Clique der „Durchhängszene“ an und findet in der Atmosphäre elektronischer Gefühlskälte nun doch den schon vormals getroffenen Disco Dillo, welcher das „Spiel vom großen Schein“ perfekt beherrscht. Ein Happy End ist es nicht: „Uschis Märchen geht zu Ende, / reicht Euch Eure kalten Hände. / Und bei hunderttausend Watt / findet Eure Hochzeit statt.“
Die Diskografie der EAV erzählt eine einzige große Geschichte des Scheiterns in der Liebe: Frauen lassen sich von ihren Männern aushalten und trennen sich für den nächstbesten Mann („Liebelei“, „Arreviderci“). Beziehungen scheitern („Die Braut und der Matrose“). Sogar die Österreichische Bundesbahn zerstört eine Beziehung („Es fährt Zug“). Männer saufen sich in ihrer Einsamkeit zu („Einsamkeit“). Ehemänner vernachlässigen ihre Frauen zugunsten des Alkohls („Morgen“). Ehefrauen machen das Leben ihrer Männer durch ungesunde Eifersucht zur Hölle, während sie selbst fremdgehen („Leckt's mi“). Menschen begehen aus Liebeskummer Selbstmord („Liebe, Tod und Teufel“) oder landen in der Gosse („Sandlerkönig Eberhart“). Selbstsüchtige Ehemänner gehen fremd („Küss die Hand, schöne Frau“) und lassen die Geliebte schneller fallen als eine heiße Kartoffel.
Männer sind auf Sex-Safaris, die krasser nicht geschildert werden können: „Ja, im Land des Lächelns / sind die Frauen klein. / Er beginnt zu hecheln, / könnt seine Tochter sein!“ („Samurai“). Auch Frauen haben Spaß am Sex-Tourismus, aber nur ganz weit weg: „Daheim im Schrebergartl / wär so ein schwarzer Bartl / natürlich ein Skandal / und gegen jegliche Moral.“ („Jambo“). Ein Heiratsschwindler bringt das „Fräulein Hildegard“ um das Erbe von der reichen Tant'. Selbst die junge Liebe (Das Erste Mal) wird von der Authorität der Älteren (verkörpert durch den Oberförster) gestört („Barbara“). Auch ohne Einmischung haben die Heranwachsenden genug Probleme, den richtigen Zugang zur Liebe zu finden („Agadla Gugu“). Manche machen sich sogar zum Hanswurst, um die Gunst der Angebeteten zu erhalten, denn sie sind „so blöd, wenn es um die Liebe geht“ („Blöd“).
Wenn eine Liebe scheitert, dann wird schmutzige Wäsche gewaschen. Das Album „Himbeerland“ (eine Schlager-Satire) ist voller Hasstiraden und Boshaftigkeiten adressiert an Hausfrauen, Kinder, Ex-Geliebte und ganz allgemein die Fröhlichkeit. Während in diesem Album der Holzhammer rausgepackt wird und das Familiengeschirr in tausend Stücke zu Bruch geht, überwiegt im Album „Frauenluder“ die Resignation: Thomas Spitzer meint von der noblen Damenwelt: „Damen sind Frauenluder / und die Opfer, die sind wir.“ („Frauenluder“). Er erzählt von einer schmerzhaften Trennung („Es tut weh und es tut gut“) und von einer temperamentvollen, geradezu gefährlichen Frau, deren Anziehungskraft er sich nicht entziehen konnte: „Doch mein Leben lang / übe ich den Untergang. / Denn ich liebe dieses Spiel, / das seit jeher mir gefiel“. Ein weiteres Meisterstück ist die Geschichte von der dummdreisten blonden Evelyn aus Debrezin, deren Traumberuf „Pipapornostar“ ist („Rumsti Bumsti“). Der Text wirkt noch besser durch die lakonisch-leblose Stimme, die sich der kongeniale Klaus Eberhartinger für dieses Lied zurechtgelegt hat. Natürlich endet auch dieses Lied mit einem unerfüllten Traum. Wie immer desillusionierend und mit geradezu hinterfotziger Ironie traut sich Thomas Spitzer sogar an die Schilderung der Geschehnisse in einem Swingerclub. Sex degradiert zur unpersönlichen Massenveranstaltung, deren Protagonisten allesamt in diesem Swingerclub wahrlich kein erotisches Bild abgeben: „Vom Scheitel bis zum Huf / so nackt wie Gott im Suff / sie leider schuf.“.
Ich denke, es wird nun deutlich, dass die Liebe schon seit jeher Thema der EAV war. Trotzdem birgt „Amore XL“ eine Neuerung: Die Liebe wird nicht nur als steiniger Weg oder als Höhenflug, der in der Katastrophe endet, dargestellt. Es gibt erstmals auch Erbauliches aus dem Hause Spitzer zu berichten. Wunderschön ist der Text von „Für Dich...“ (leider leider zu verschwaschen auf dem Album produziert): „Du kommst wie die Sonne in die kalte Zeit. / Hast mich aufgerichtet, / keine Zeit für Selbstmitleid!“ Die Beziehung ist hier kein Krieg, sondern gegenseitiges Ergänzen: „Du willst mich nicht besiegen / und formst mich trotzdem neu!“.
Schon das Wort „Verunsicherung“ im Bandnamen ist Programm: Verunsicherung und Liebe sind Begriffe, die zusammenpassen, da gibt es keinen Zweifel. Der ständige Zweifel beim Kennenlernen, ob man die richtigen Signale sendet, ob man missverstanden wird, ob man zu offensiv vorgeht, ob man zu vorsichtig vorgeht. Hat Sie überhaupt Interesse an mir? Diese Analyse ihrer Worte nach Subtexten. Das behutsame Formulieren einer EMail an Sie. Diese Unsicherheit, ob man sich zum Deppen macht. All das ist Teil der großen Verunsicherung um die Liebe.
Trotz des versöhnlichen, lebensbejahenden Ausflugs von „Amore XL“ bleibt das kühl Analysierende und auch Zynische im Grundton der EAV. Wenn man EAV-Liebhaber ist und von der EAV sozialisiert wurde, dann schätzt man genau das an der EAV. Und man ist selber ein Mensch, der ironische Untertöne mag und den Zynismus gerne auspackt. Nur an einer Stelle muss die Ironie draußen bleiben: in der Beziehung. Sie muss meinen Witz verstehen, klar. Sie muss Ironie verstehen, auch klar. Aber Liebe und Ironie passen nicht zusammen. Ironie darf erst bei der bitteren post-mortem Analyse zum Vorschein kommen. So wie es in den Liedern der EAV passiert. Und als Werkzeug der Untersuchung wählt Spitzer wahlweise das Skalpell oder den Holzhammer.
Schlußendlich gibt sich ein Bild von der EAV, wie es normalerweise nicht gezeichnet wird: So wie in der Popkultur üblich, thematisiert ein signifikanter Teil der EAV-Lieder die Liebe in allen ihren Facetten und zwar aus dem gewohnten düsternen Blickwinkel. Dass die Lieder auch noch witzig sind, ist Fluch und Segen der EAV. Zum einen begründet sich auf auf dem Humor der EAV-Lieder der Erfolg, zum anderen verleitet er dazu, dass die Massen die Hintergründigkeit der Texte nicht entdecken. Letztlich macht diese interessante Konstellation jedoch auch den Reiz der EAV aus.
Begleitende Texte: „Lustig, lustig, tralalala“ und „Kurz vor Ende“
Autor: Alexander Mayer
Letzte Änderung: 25.07.2009