Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Reißwolf: Rezension „Amore XL“ Nr. 3 (2007)

Nach beendeten 100-Jahr-Feierlichkeiten stürzt sich die EAV in ein gewagtes Abenteuer: Die Liebe. Mit „Ramazotti“-artigen Klängen öffnet sich das Tor zur Amore in einem berauschendem Stück voller Innbrunst, Gefühl und Melodie. Schon der Anfang zaubert Freudentränen auf meine Haut und der mitreissende Refrain zerrt sich tief in das Gebein. Ab sofort dürften sämtliche Italo-Barden vor der EAV erzucken. Bei „Agadla Gu Gu“ ist er dann wieder da, der typische Spitzer-Humor mit einer Prise Kenia-Ulk. Die schräge Nummer brennt sich dennoch nach mehrfachem Hören in die Gehörmuscheln ein. Mit „Für Dich“ gibt sich die EAV in moderner „Christina Stürmer“-Manier. Der poetische Text fügt sich wie die Marmelade auf das butterweiche Brot. Die Musik entfaltet sich und ist mehreren Klangteppichen ausgestattet. Ein bißchen ist man hier zwar dem Mainstream aufgesessen, aber warum sollte nicht auch die EAV einmal ein solches Lied schreiben. „Schnippel Schnipp“ ist dann wieder eine Nummer, wie man sie von früher kennt. Der ausgefeilte Text und die witzige Melodie könnten dem Song sicherlich zu einigen Radioeinsätzen verhelfen. Ein Ohrwurm eben! Bei den ersten Takten von „Dann und wann“ musste ich spontan überlegen, ob ich jetzt ein Gothik-Album eingelegt habe, aber nach dem mystischen düsteren Beginn ist es doch Klaus, der da von der gleichgeschlechtlichen Liebe singt. Die ausgegorene Rocknummer, die aber auch von einem genialen Klaviersound lebt, könnte ich mir sehr gut auf der Live-Bühne vorstellen. Danke für das großartige Gitarrensolo, das mich ein wenig an „Queen“ erinnert. Leider kann ich trotz des ehrlichen, sehr guten Textes mit „Ein Freund“ nicht viel anfangen. Die Idee eine Dixi-Band ins Studio zu holen, war zwar gut gemeint, herausgekommen ist aber eine lansgame „Das Leben das ist kurz“-Version. Kurzum: Ein Song zum Weiterzippen. Beim ersten Hören noch nicht ganz warm wurde ich mit „Bum Bum Monika“, doch schon beim zweiten Mal bin ich voll in den Song eingestiegen, eine leichte Nummer, die mich beim „Bum Bum“ ein bisschen an DJ Ötzis „Ein Stern“ erinnert. Doch schon weiter hasten wir zum nächsten Lied „Herz gestohlen“, das anfangs ebenso gewöhnungsbedürftig war, aber ebenso wie ein guter Wein bei merhfachem Hören immer mehr gereift ist. Obwohl schlagerig und ein bißchen an das Versmas von „Omama“ von „Himbeerland“ erinnernd, geht das Lied unter die Haut und der von Thomas Spitzer gesunge Refrain fährt einem wie eine Gänsehaut ins Rückenmark, bis es erbebt. Bei „100 Jahre Oma“ viel mir spontan ein, wie facettenreich die EAV eigentlich ist. Von deftigen Rocknummern über Pop und Schlager geht es nun ans Wienerlied. Der satirische, mit spitzer Feder gewobene Text ist erstklassig und die Musik bringt den typischen Altersheimcharakter herüber. Einzig gestört hat mich, dass ich an einigen Stellen das Versmas wie bei „Der Wein von Mykonos“ und „Ein Herz für Tiere“ anhört. Schade, Chance auf einen weiteren Klassiker vertan. Dafür kommt mit „Panga Panga“ nun mein absoluter Lieblingssong auf dem Album. Nicht nur der frische Afrikasound ist hier hervorzuheben, sondern auch der harmonische Gesang der Sängerin und der von Klaus sehr ernst gesungene Text. Dass Thomas Spitzer hier eines seiner besten Werke abgeliefert hat, steht für mich ausser Frage. Einzig ein Instrumentalsolo hätte dem Lied noch gut getan! Wie abwechslungsreich das Album ist, beweist der kommende Song. Mit dem SM-Lied „Nagelbett“ kommt ein gitarrenlastiges Hard-Core-Werk auf einen zugerollt. Klaus' origineller Gesang verleiht dem Song eine ganz besondere Atmosphäre. Sehr schön ist auch die sehr ruhig arrangierte dritte Strophe, bevor mit Rockgitarren nochmals richtig losgelegt wird. Im krassen Gegensatz zu dieser blutigen Nummer steigt mit „Matador“ die nächste Rakete des Albums in die Boxen. Dieses Mal ist es ein mitreissender Flamenco, der allerdings aufs Wesentliche reduziert genau die Stimmung in der Arena wiedergibt. Beim Refrain mußte ich an Enrique Iglesias und sein „Rhyt'm divine“ denken. Sowohl Gesang, Musik und Text sind ganz große Klasse. „Mei herrlich“ dreht sich um die Schadenfreude, der Text stammt noch aus Zeiten des ersten Albums. Das typische Reggae-Lied darf natürlich auch dieses Mal nicht fehlen und ist auch sehr gut gelungen. Schade ist nur, dass sich musikalisch in den gut drei Minuten nicht viel entwickelt. Der Kinderchor hört sich leider auch etwas gelangweilt an. „Das Geheimnis“ erinnert mich ein wenig an die Musik der „Münchener Freiheit“ und kommt am Anfang etwas wie ein Schlager daher. Doch schnell entfaltet sich der Song auch aufgrund seines schönen Klavierparts zu einem wirklich feinem Werk. Schade, dass das Saxophon-Solo am Ende zu schnell ausgeblendet wurde. Mit „Da Voda“ hat es ein Stück auf die Platte geschafft, das bereits seit 1995 existiert. Die rockige, vom Gesang her ebenfalls sehr abwechslungsreiche Up-Tempo-Nummer ist zwar sehr schön, passt thematisch aber leider gar nicht. Das „Rammstein“-Lied „Sarkophag“ passt da schon eher ins Konzept von „Amore XL“, auch wenn der Text einer der schwächeren des Albums ist. Von der Gesangsart von Klaus Eberhartinger ist es aber recht witzig anzuhören und der dunkle Refrain von Thomas Spitzer macht ebenfalls wieder sehr viel Wett. Fazitös kann ich jedenfalls klar sagen, dass die EAV unumstritten in einer ganz anderen Liga mitspielen wird, als noch vor ein paar Jahren. Thematisch bleibt man erstmals bei wirklich nur einem Thema und musikalisch gibt es so viele neue Klänge und Abwechslung, wie noch nie auf einem Album. Die perfekten Produktionen sind ausgewogen und perfekt aufeinander abgestimmt. Die Mischung zwischen EAV-typischen Lieder und ganz neuen Stilrichtungen ist mehr als gut gelungen und für mich ist schon jetzt unbestritten „Amore XL“ eines der besten Alben in der 100jährigen Bandgeschichte. Also, nichts wie auf in die Geschäfte, sonst stehl' ich Euch das Herz!

Euer (wie immer) unabhängiger Reißwolf!

Autor: Wolfgang Hofer, Illustration: Tanja Graumann