Notizen über die allgemeine Verunsicherung
Stranzinger - Wir san ned aus Zucker

Stranzinger - Wir san ned aus Zucker

Mitten in den dunklen Schluchten der Nebenstraßen von New York lehnt ein Rocker an einer unverputzten Ziegelwand, die Gitarre umgeschnallt. Straßengangs und Drogendealer machen um ihn erfurchtsvoll einen Bogen, denn sie sehen auf den ersten Blick: Dieser Mann bläst den Abschaum mit seinen Gitarrenriffs weg, der is ned aus Zucker. So ungefähr muss man sich die Szene auf dem Coverfoto des neuen Albums „Wir san ned aus Zucker“ von Stranzinger vorstellen. Reinhard Stranzinger, welcher bei Hubert von Goisern schon für Furore sorgte und seit 2010 die EAV auf der Bühne an der Stromgitarre unterstützt, zeigt 14 Jahre nach seinem mittlerweile vergriffenen (auf seiner Homepage vollständig downloadbaren) Erstlingswerk „Ois Oda Nix“ (1997) wieder einmal, was er drauf hat. Es ist pures Testosteron, das durch den Strom über die Finger an die Saiten zu fantastischer Musik mutiert. Stranzinger und die Gitarre vermelzen zu einer Einheit, fest verbunden mit der Erde. Das Herz spielt mit und macht die beneidenswerte Präzision seines Spiels zu dem, was viele versprechen, aber nur wenige halten: Rock'n'Roll - weit weg vom alltäglichen Schweinerock. Gitarre spielen ist halt doch mehr als nur ein bisschen schrammeln und eine Rockerattitüde auf die Bühne bringen. Da sehen viele Kollegen von ihm alt aus, wenn man Stranzinger gehört hat.

Der Song „Django“ ist prototypisch für das gesamte Album: „Da Blues, der is zum woana, Rock'n'Roll is Widerstand“, singt Reinhard Stranzinger dort. „Widerstand gegen was?“, fragt man sich. Doch wenn man das Album angehört hat, stellt man sich die Frage nicht mehr. Man versteht es. Die Leadgitarre ist der Mittelpunkt, sie ist der Held des Widerstands. Doch ohne das kongeniale akzentuierte Spiel von Christoph Navratil (Bass) und David Pernsteiner (Schlagzeug) wäre sie nur halb so gut. Und am Ende von „Django“ gibt Stranzinger dem Hörer eine kurze Verschnaufpause von den knackigen Gitarrenklängen und lässt Christoph Köglers wunderbare Hammond-Orgel in den Song tänzeln wie ein Stepptänzer, bis dann wieder die Gitarren die Macht übernehmen.

Die Zutaten für ein gutes Rock-Album sind da, gekocht wurden sie grandios. New York, pass Obacht, Stranzinger kommt! Zu kaufen ist das Album bei Amazon, im iTunes Store und als CD direkt bei Stranzinger. Ich empfehle auch den mit vorbildlich viel Material versorgten YouTube-Kanal mit vielen Live-Aufnahmen und Interviews.

04.12.2011 — Autor: Alexander Mayer