Notizen über die allgemeine Verunsicherung

EAV-Konzertbericht: Wissenswertes über Erlangen

Kennt ihr noch die EAV, diese österreichische Rockkabarett-Band? Die waren mal recht bekannt in den 80ern. Ihr wisst schon, damals, als es noch kein Drecksbook gab, keine Pärchenprofilbilder, keine lustigen Apps, die ausrechnen, wie viel Liter man in seinem Leben schon gepinkelt hat. Damals, als man noch so etwas wie Kommunikation hatte. Damals, als es noch Diskussionen gab und man sich an das erinnerte, was man gesagt hatte und man das wiederfand, was man geschrieben hatte und nicht etwa nur ein Betreiber einer werbefinanzierten Datenkrake.

EAV ist ja total retro und kultig, ey! Ich kann es nicht mehr hören. Retro und Kult sind die Sargnagel der Kreativität. Retro ist die Nekrophilie für Blödelcombo-Fans und Kult die Religion der Nekrophilisten. Retro, das ist Pathologie an altem Liedgut nach dem Motto „noch ist nicht alles abgestorben“. Retro ist Stillstand. Kult ist die Zwangsjacke, mit der so genannte Fans eine Band in die Blödelzelle des Irrenhauses für alternde Popstars sperren. Himmel, lasst die EAV doch einfach das sein, was sie ist: eine großartige Band!

Die EAV spielte am 14.02.2012, dem Hasstag der Singles und Konsumverächter, in Erlangen (ausverkauft) ihre neue „Best of Show 2012“. Die Details der Show haben wir bereits ausführlich in Podcast-Folge #11 gewürdigt. Es war ein begeisterndes Konzert, das mit gutem Sound und abgestimmten Licht glänzte und bei dem die Band große Spielfreude zeigte. Die Zuhörer hingen förmlich an Klaus Eberhartingers Lippen, lachten lauthals über seine kurzweiligen und witzigen Moderationen, sangen textsicher von Anfang bis Ende bei „Sandlerkönig“, „Heiße Nächte in Palermo“ und „Morgen“ mit und würdigten die neuen Texte mit großem Applaus. Die Franken scheinen nicht davon verstört zu werden, wenn die EAV die alten Klassiker durch neue Ideen und Kreativität aufwertet. Verstört sollten sie nur ob der Textänderung beim „Sandlerkönig Eberhard“ sein: Der Edelpenner deckt sich neuerdings mit der Zeitung zu und nicht mit dem Spiegel. Da gehen doch Witz und Charakterzeichnung verloren, liebe EAV!

Die Arrangements sind sensationell. Herr Kapellmeister Kurt Keinrath, erstmals mit schickem Hut, weißer Krawatte zu schwarzem Outfit und drei Gitarren, und seine exzellenten Musikerkollegen haben erstklassige Arbeit geleistet. Und sie bringen sich in dieser Show erstmals auch schauspielerisch mit viel Liebe zum Blödsinn ein (z.B. als die eiligen drei Könige). Hat mich sehr gefreut! Übrigens sang Reinhard „Mubarak“ Stranzinger vom „Kaftansack“, nicht etwa vom „Potentatensack“. Gut finde ich auch, dass der sympathische Reinhard Stranzinger nun öfters sein Können an der Gitarre durch Soli rausblitzen lassen darf.

Und das Bühnenbild! Es macht eine wohlig warme Atmosphäre. Die EAV hat diesmal übrigens einen Vorhang an der linken Seite der Bühne, hinter den die Bandmitglieder wie in eine Umkleide verschwinden, wenn sie von der Bühne gehen. Die Bühne wird dadurch natürlich etwas kleiner. Mir ging auch das Herz auf, als Klaus Eberhartinger die Burli-Klamotten (weißer Kittel, Chemikerbrille und gelber Sicherheitshelm) anzog und damit aussah, als stünde er gerade 1987 auf der Bühne.

Schön war's also. Homogen konzipiert, kurzweilig und mit viel Kreativität angereichert. Dem Publikum hat's auch gefallen. Und sie waren alle da im Konzert: Die Retro-Nekrophilisten, die Retro-Pathologen, die Studenten, die Krauterer, die Fandarsteller, die Mitglieder des EAV-Fanclubs (dem Club der Untoten — er stellt sich tot, aber die Beiträge sind noch lebendig), die Fanboys mit der rosaroten Fanbrille, die Andere-als-Fanboys-Verunglimpfer, die Netten, die Arschkriecher, die Bierflaschen-Gröhler, die Aufmerksamen, die Schlauen und die Gar-nichts-Kapierer. Die EAV führt alle zusammen.

Ihr entschuldigt mich, ich schreib jetzt einen Tweet auf Twitter, den Ort für manisch-depressive Single-Looser und Nerds (wie mich), die im Pyjama ihre scharf formulierten, zynischen Weltverbesserer-Tweets in die Bedeutungslosigkeit ihrer selbst geschaffenen Realitätsblase schicken.

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 14.02.2012