Notizen über die allgemeine Verunsicherung

An am Abend so wie heut

EAV und Unplugged. Da haben nicht nur Thomas Spitzer und Klaus Eberhartinger so ihre Zweifel, ob das funktionieren kann. Auch Werner Schmidbauer meinte im Vorspiel zur Aufzeichnung der BR-Sendung „aufgspuit!“ im Münchner Lustspielhaus, dass zur EAV eigentlich großer Sound mit einer großen Band gehöre. Deshalb müsse das Publikum mithelfen und für üppigen Klang sorgen, da auf der Bühne nur er und Martin Kälberer Instrumente spielen würden. Der „Märchenprinz“ und „Küss die Hand, schöne Frau“ mussten gar nicht erst groß eingeübt werden, das Publikum war textsicher und bestens gelaunt die gesamte Sendung über.

Der rote Faden der Sendung war das Buch von Klaus Eberhartinger. Klaus gab gefühlt den Inhalt des gesamten Buches wider. Werner Schmidbauer musste nur ein Stichwort nennen und es sprudelte schon aus ihm heraus. Klaus in seinem Element. Er redete und redete und sang. Dann musste die Regie das Band wechseln. Dann redete er wieder und sang. Zweidreiviertel Stunden fabulierte Klaus aus seinem Leben und es wurde in keiner Sekunde langweilig, obwohl der geneigte EAV-Liebhaber das meiste schon kannte: Wie er in Braunau aufwuchs. Wie er mit Freunden eine Gitarre auf den Kilimandscharo schleppte (übrigens sprach er von einem holländischen Gitarrenspieler, nicht von einem deutschen wie es im Buch steht, wenn ich mich recht erinnere). Wie er im Bundesheer Ausbilder wurde, nur um sich an seinen Ausbildern zu rächen. Auch die Begegnung mit Thomas Spitzer, welchen Schmidbauer als genialen Texter und Komponisten bezeichnete, hat er nicht ausgelassen.

Im Vergleich mit anderen Fernsehaufzeichnung war die TV-Maschinerie des BR dezent. Unseren Tisch, die Speerspitze der EAV-Fan-Stimmungsmaschine, hatte ein Kameramann bevorzugt im Visier. Natürlich nicht wegen mir, sondern wegen meinen charmanten Tischnachbarinnen. Das wird ein ganz schöner Aufwand werden, mich, den Mr. Anti-Telegen, aus allen Aufnahmen herauszuschneiden. Nun gut, vielleicht lassen sie die Szene drin, in der ich mich wie das gesamte Publikum zum Affen machte und mit dem Mund die Mandoline durch wohl kontrollierte Zungenschnalzerei bei „Heiße Nächte“ nachmachte.

Aus dem reichhaltigen Song-Repertoire der EAV wurden natürlich nicht unbedingt die Songs ausgewählt, die besonders gut geeignet für unplugged sind, sondern die Klassiker, die jeder kennt. Dennoch war die Umsetzung stets gut und oft auch überraschend spannend. So wurde aus „Küss die Hand, schöne Frau“ eine Rockabily-Nummer und aus dem Märchenprinz eine Art Surfer-Reggae. Am besten gelungen ist „Der Wein des Mykonos“ (Schmidbauer: „eine der besonders starken Nummern der EAV“) in der stromlosen Darbietung. Vom aktuellen Album „Amore XL“ war nur „Schnippel Schnipp“ dabei, allerdings nur als Gedicht vorgetragen. Keineswegs wurden jedoch politische Themen ausgespart. Beispielsweise erzählte Klaus von dem Boykott von Burli durch den Bayerischen Rundfunk damals (allgemeines Gelächter im Publikum).

Bei den anderen Songs, die thematisch zu Stationen aus Klaus Eberhartingers Leben passten, konnte Klaus zeigen, dass er nicht nur den EAV-typischen Sprechgesang drauf hat. Von „Let's Twist Again“ über „All you Need is Love“ bis zur Marseillaise war alles dabei. „When a Man Loves a Woman“ hatten Schmidbauer und Kälberer extra etwas in der Tonlage tiefer gespielt, damit sie Klaus' Stimmlage treffen. Klaus hat sich sogar an „Mercedes Benz“ von Janis Joplin herangewagt, was ihm hoch anzurechnen ist. Schließlich ist dieser Song nicht nur eine großartige Komposition, er wurde insbesondere durch die stimmlich geradezu nackte á capella Darbietung von Janis Joplin unsterblich. Diese Hürde meisterte er bravorös. Am meisten Bammel hatte Klaus wohl vor „Strandlied“, einem Lied von Werner Schmidbauer, bei dem „jede Strophe einen anderen Einsatz hat“, wie er Schmidbauer wehklagte. Das Lied hatte Schmidbauer in Kenia geschrieben, als er sich dort (nicht weit von Klaus' Domizil entfernt) als Surflehrer verdingte. Die Setlist war im einzelnen:

Es ist ein Jammer, dass die zweidreiviertel Stunde Programm auf 90 Minuten zusammengedampft werden müssen. Die Ausstrahlung findet am 01.08.2009 um 0:10 Uhr statt. Musikliebhaber dürfen um die Zeit nicht ausgehen oder schlafen. Einschaltbefehl!

UPDATE 16.07.2009: Laut Website von Werner Schmidbauer werden von der Aufzeichnung anstatt 90 Minuten volle zwei Stunden (also fast ungekürzt) gesendet. Da die Aufzeichnungen „wirklich außergewöhnlich“ waren, schreibt Schmidbauer, hatte sich der BR dazu entschlossen. Juhu!

Autor: Alexander Mayer

Letzte Änderung: 08.07.2009