Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Amore XL

Amore XL

Auszeichnungen: AT 1x Platin

CD: 2007 EU (SonyBMG 88697 16840 2) (VÖ: 12.10.2007)

CD: 2007 EU (SonyBMG, weiß bedruckte CD, einfach gedrucktes Cover) [Promo]

CD: 2007 EU (SonyBMG 88697 18422 2) (VÖ: 12.10.2007)

  1. Amore [Single] [I]
  2. Rinderlein 1
  3. Agadla Gu Gu [I]
  4. Für Dich...
  5. Schnippel Schnipp [Single]
  6. Dann & Wann
  7. Rinderlein 2 [I]
  8. Ein Freund [I]
  9. Bum Bum (Monika) [Single]
  10. Ich bin bei Dir
  11. Herz gestohlen
  12. 100 Jahre Oma
  13. Rinderlein 3
  14. Panga Panga [I]
  15. Nagelbett
  16. Matador [Single] [I]
  17. Rinderlein 4
  18. Mei herrlich [Single] [I]
  19. Geheimnis
  20. Rinderlein 5

Amore XL (Bonus Track Version)

CD: 2007 EU (SonyBMG iTunes Download) (VÖ: 12.10.2007)

  1. Amore [Single]
  2. Rinderlein 1
  3. Agadla Gu Gu
  4. Für Dich...
  5. Schnippel Schnipp [Single]
  6. Dann & Wann
  7. Rinderlein 2
  8. Ein Freund
  9. Bum Bum (Monika) [Single]
  10. Ich bin bei Dir
  11. Herz gestohlen
  12. 100 Jahre Oma
  13. Rinderlein 3
  14. Panga Panga
  15. Nagelbett
  16. Matador [Single]
  17. Rinderlein 4
  18. Mei herrlich [Single]
  19. Geheimnis
  20. Rinderlein 5
  21. Schnippel Schnipp (Schnapp-Mix)

Amore XL (DeLuxe Edition)

CD: 2007 EU (SonyBMG 88697 18266 2) (VÖ: 12.10.2007)

  1. Amore [Single]
  2. Rinderlein 1
  3. Agadla Gu Gu
  4. Für Dich...
  5. Schnippel Schnipp [Single]
  6. Dann & Wann
  7. Rinderlein 2
  8. Ein Freund
  9. Bum Bum (Monika) [Single]
  10. Ich bin bei Dir
  11. Herz gestohlen
  12. 100 Jahre Oma
  13. Rinderlein 3
  14. Panga Panga
  15. Nagelbett
  16. Matador [Single]
  17. Rinderlein 4
  18. Mei herrlich [Single]
  19. Geheimnis
  20. Rinderlein 5
  21. Da Voda [I]
  22. Sarkophag [I]

Amore XXL

CD: 2008 EU (SonyBMG 88697 37673 2) (VÖ: 26.09.2008)

  1. Amore [Single]
  2. Agadla Gu Gu
  3. Möpse (live) [I]
  4. Für Dich...
  5. Schnippel Schnipp (live) [I]
  6. Dann & Wann
  7. Ein Freund
  8. Rindersong
  9. Bum Bum (Monika) [Single]
  10. Ich bin bei Dir
  11. Liebe, Tod und Teufel (live) [I]
  12. Herz gestohlen
  13. Küss die Hand (live) [Single] [I]
  14. 100 Jahre Oma
  15. Panga Panga
  16. Mein Gott (Live) [I]
  17. Nagelbett
  18. Matador [Single]
  19. Mei herrlich [Single]
  20. Geheimnis
  21. Der Tod (live) [I]
  22. Amore Finale (live) [I]

Single-Auskopplungen und Videos [Übersicht]

Bemerkungen

Die „Bonus Track Version“ dieses Albums ist nur im iTunes Music Store als Download erhältlich. Als Besonderheit enthält sie als Bonus-Track den „Schnapp-Mix“ von „Schnippel Schnipp“. Produzent ist Peter Ries. Dieser Track ist auch einzeln downloadbar.

Zu diesem Album konzipierte die EAV ein völlig Tour-Programm, das einige Lieder des Albums sowie viele Klassiker enthielt. Die dazugehörige Tour nannte die EAV „Amore XL“-Tour.

Die zweite Edition dieses Albums vom 26.09.2008 firmiert unter dem Namen „Amore XXL“ und hat eine geänderte Trackliste. Zu den Original-Studiosongs gesellen sich Live-Aufnahmen von EAV-Klassikern. Außerdem wurden die „Rinderlein“-Zwischenstücke zu einem einzigen Track namens „Rindersong“ zusammengefasst und die Studioversion von „Schnippel Schnipp“ durch eine Live-Aufnahme ersetzt. Diese Veröffentlichungspolitik stieß bei mir nicht unbedingt auf ungetrübte Begeisterung.

Dieses Album und die dazugehörige Tour werden ausführlich in Podcast-Folge #18 besprochen. In der Kolumne „Reißwolf“ (im Fanzine-Archiv) wurden das Album und die Tour kritisch begleitet.

Rezension

Es sind schwierige Zeiten für die Verunsicherung, wenn sogar die einstigen Null-Checker (Fußballer, Politiker und Pressevertreter) vom spröden Witz der Ironie gestreift werden und hie und da mal was sagen, was sie gar nicht so gemeint haben (höhö!). Die verbleibenden ironieresistenten Zonen (Formatradio und „BILD“) sind nur ein schwacher Trost auf der Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal in einer Medienlandschaft voller selbsternannter lustiger Menschen. Da Thomas Spitzer in den letzten Jahren schmerzliche Selbstversuche bei der Erforschung von Lust und Frust machte, gab es eigentlich genügend interessante Texte für ein neues Album. Unklar war nur, ob sich die EAV unlustige authentische Texte leisten könne. Dass die EAV den Mut hatte, die Texte zu vertonen, die sich Thomas Spitzer in seiner Verunsicherung ohne Blick auf die Erste Allgemeine von der Seele schrieb, ist bewundernswert. Es entstand ein Studioalbum voller Widersprüche, holpernder Stimmungsbrüche und entspannter musikalischer Momente.

So recht mag sich das Album auf keine Richtung einpendeln. Bereits der orchestrale Opener „Amore XL“ mit Nino-de-Angelo-Zitat schwankt zwischen vertonten Co-co-comic-Sprechblasen, Binsenweisheiten und wunderbaren Auf-den-Punkt-Versen, wie zum Beispiel diese schmerzliche Strophe: „Doch man bleibt im Ehebunde, / macht aus der Tugend eine Not, / geht gemeinsam vor die Hunde, / bleibt sich treu bis in den Tod!“.

Der erste echte Bruch im Album ist der für die EAV ungewohnte Mainstream-Gitarrenrock von „Für Dich...“, der Dudelfunk-gerecht niemanden beim Bügeln stören wird. Der Text wird zwar keine philosophischen Debatten auslösen, aber trotzdem gerne mehr davon! Ein interessantes Experiment wagte Spitzer mit „Herz gestohlen“: Zur Melodie von „Fuchs, Du hast die Gans gestohlen“ schrieb der Texter seinen ganzen Liebeskummer der Entfleuchten ins Gebetbuch: „Ich wünsche Dir die Hölle nicht, ich wünsch' Dir nicht den Tod, / ich wünsch, dass Du zum Teufel gehst, ansonsten seh' ich rot!“. Das Lied wirkt auch deshalb authentisch, weil Spitzer den Refrain persönlich singt — herzzerreißend mit gebrochener Stimme. Obwohl „Nagelbett“ das heftigste Gitarrenbrett auf der normalen Edition des Albums ist, ist es Dank des intensiven Textes am anrührendsten: „Mein Credo ist die Atemnot. / Lieber in Dir sterben als lebendig tot!“. Das Thema Sado-Maso ist da nur vordergründig. Liebe bis in den Tod, was für eine beklemmende Aussage! Gegenüber solch starker Worte verblasst die locker-flockige Bar-Jazz-Ballade „Geheimnis“ ein bißchen. Der leichte Hauch von Altherrenphilosophie im Text ist gleichermaßen störend wie niedlich.

Wenn die Verunsicherung bisher eine Botschaft unter das Volk bringen wollte, bediente sie sich traditionell dem Rüstzeug der Ironie und schlüpfte gerne auch in die Rolle ihrer Opfer. Auf „Amore XL“ bleibt das geschärfte Seziermesser von Spitzer im Schaft, stattdessen holt er den Beamer heraus und startet Powerpoint, um uns zu erklären, was er uns sagen will. „Dann & Wann“ ist eine klare Stellungnahme für die Liebe und gegen Intoleranz: „Die Mutter jeder Liebe ist die Toleranz. / Leb' Deine Gefühle voll und ganz!“. Der berühmte erhobene Zeigefinger bleibt trotzdem unten. Er wird zum ordnungsgemäßen Rocken mit der E-Gitarre benötigt. Insbesondere auch wegen des eingängigen Refrains einer der Höhepunkte des Albums. Den absoluten Höhepunkt errreicht „Amore XL“ bei „Panga Panga“, ein Lied, das es schafft, ein kompliziertes und in Europa weitgehend unbekanntes Thema in kurzen Versen zusammenzufassen: Die unmenschliche Praxis der „Beschneidung“ von Frauen. Hier kann Klaus Eberhartinger sowohl mit seinem berühmten Sprechgesang, als auch mit dem reizvollen Refrain punkten. Unterstützt wird er von afrikanischen Gesängen einer Sängerin. Getrübt wird das Hörvergnügen einzig durch einen holprigen Reim: „Auch bei uns wird noch kastriert, / nur das manche es nicht spürt, / wenn ihre Würde sie verliert!“.

Trotz aller ungewohnter Ernsthaftigkeit: Ein Album von der EAV, ein Album von Thomas Spitzer kommt nicht ohne gedrechselte Wortspiele und feinsinnig-hinterfotzige Geschichten von Menschen und ihren kleinen Gemeinheiten und großen Schwächen. So erzählt uns Klaus Eberhartinger mit einer darstellerisch-gesanglichen Spitzenleistung im großartigen „Matador“ von einem Mann, der sich sogar auf die Hörner nehmen lässt, um das Herz seiner Angebeteten zu erobern. Ein Lehrbuch-Beispiel für Spitzers stille Rebellion gegen althergebrachte Versschemata ist es außerdem: „Da sah er die Senorita / Lolita Margerita! / Er rief: 'Werde mein, mi amor!' / Doch es sprach die kleine Donna / zum Hombre aus Colonia: / 'Mein Herz krieg nur ein Matador!'“. Beim leicht infantilen Refrain von „Schnippel Schnipp“ schlägt die EAV genüßlich in die Kerbe der Kritiker, die immer so gerne von der „Kindergartenmusik“ schreiben. Doch spätestens bei der Zehnennägel-Stelle blitzt der Spitzer-Stachel heraus. Das ist es, was die EAV so besonders macht.

Auch den Mut zur Blödheit haben sie nicht verloren. Man muss jetzt nicht ein Lied über „Monika“, die Frau mit dem schönsten Po, schreiben, aber man kann. Vor allem, wenn man es pfeifend-entspannt zu einer lieblichen Melodie singt und dabei lustvoll Pointe an Pointe setzt. Ähnlich entspannt ist das Schadenfreude-Kleinod „Mei herrlich“, das als Reggae überzeugt, textlich aber unauffällig und eher unfertig wirkt. Auch der vertonte Comic ist gleich mehrfach auf dem Album vorhanden, am direktesten beim stammelnden „Agadla Gu Gu“ — leichte Kost für die Übergangszeit. Die schönsten Comic-Soundeffekte (das Einseifen!) gibt es beim süßlich-bösen Tango-Walzer „100 Jahre Oma“, einem grandios anschaulichen Lied über gierige Erben. Etwas weniger böse und weniger überraschend ist „Ein Freund“. Es bringt der Welt zwar nicht viele neue Weisheiten über die Freundschaft. Aber, hey, die Blaskapelle ist klasse und neue Ideen sind „so selten wie ein Koch, der durch den Apfelstrudel kroch, mit einem Hintern ohne Loch“!

Die Bonustracks „Da Voda“ und „Sarkophag“ passen, wie es bei Bonustracks halt ist, nicht ganz so gut in das Albumkonzept hinein. Dennoch wäre es schade gewesen, wenn diese beiden Songs nicht veröffentlicht worden wären. Insbesondere das druckvolle und originelle „Da Voda“, welches bereits seit vielen Jahren in den Archiven der EAV herumgeistert. „Sarkophag“ scheppert laut und heftig über die etwas dürftige Geschichte ohne Pointe hinweg.

Vielseitigkeit ist nicht immer etwas Gutes. Im besten Fall zeigt Vielseitigkeit alle Facetten und Fähigkeiten eines Künstlers, im schlechtesten Fall ist sie nur ein Schleier um die Orientierungslosigkeit. „Amore XL“ befindet sich irgendwo dazwischen. Zwar beschäftigen sich fast alle Songs mehr oder weniger mit dem Thema Liebe, was das Album zu einem Konzeptalbum macht. Aber die musikalische Umsetzung ist eine Mischung aus Kompromiss, damit für jeden etwas dabei ist, Inspiration und Experimentierfreudigkeit. Für das Gesamtwerk (inklusive iTunes und DeLuxe-Edition) sind sieben verschiedene Produzenten verantwortlich, da erstaunt es nicht, wenn nicht absolute Homogenität garantiert werden kann. Die musikalische Umsetzung ist allerseits gut gelungen (insbesondere auch Dank der EAV-Band, die an den Studioarbeiten beteiligt war!), erstmals jedoch ragen nur wenige Texte heraus. Die beste Nachricht: „Amore XL“ klingt nicht wie ein Abschiedsgeschenk. Der Spaß am Neuen, am Ausprobieren ist aus jedem Track deutlich raushörbar. „Amore XL“ zeigt, dass Thomas Spitzer weiterhin kreativ ist. Das Album zeigt aber auch, dass sich seine Texte ändern und von der EAV wegbewegen. Ob sich die EAV Spitzer annähert oder Spitzer der EAV wieder näher kommt, wird die Zukunft zeigen. Sicher ist jedoch: Die neuen Töne tun der EAV gut.